Site-Titel
http://werner-wolski.de/
HauptseiteHerkunftTätigkeitenSchriftenverzeichnisWörterbucher/LexikographieLehrveranstaltung HeidelbergEnergiewende AuftragsarbeitenFotosBevorzugte Links
sprachwissenschaftliche Arbeiten
Paul Celan: Gedeutetes verstehen
Phantastische Paralipomena
Erzählungen
Gedichte
Subkutane Lektionen
Satirische Sprachverse
Rezensionen, Laudatio, Berichte

Inhalt:

(1) Rezension zu "Willi kocht" (das Kochbuch meines Neffen Helmar Weitzel, bekannt als "Willi" aus der Fernsehserie "Willi wills wissen"; gewiss keine Gefälligkeits-Rezension für den Neffen, sondern aus Überzeugung verfasst; eingestellt - und damit sozusagen "vor die Hunde geworfen" auch bei "Amazon.de"; Rezension geht dort zwischen dem Gewäsch um "Ach, wie lieb", "Ach, wie lecker" etc. unter)

(2) Stellungnahme zur Aufführung des Landestheaters Detmold in Paderborn: "Il trovatore"/"Der Troubadour" (Paderhalle 10.04.2013)

(3) "Schlafes Bruder" vielfach beleuchtet (eine besondere "Rezension", entstanden kurz nach Erscheinen des Romans)

(4) Laudatio zum 70. Geburtstag von Herbert Ernst Wiegand (hier zugeordnet, da bei Web.de nicht genügend Platz für Rubriken und Unterrubriken zur Verfügung stand)

(5) Bericht Klassentreffen 2011

(6) Klassentreffen: Schnee von gestern (zweiter Bericht dazu)

(7) FCKK Stadtallendorf (siehe Homepage: Karneval-Verein):

 

      Eröffnung der Kampagne 2010/2011

 

(8) FCKK: Prunksitzung 19.02.2011

(9) FCKK: Neujahrsempfang 08.01.2012

(10) FCKK: Eröffnung der Kampagne 2012/2013

(11) FCKK: Neujahrsempfang 06.01.2013

(12) FCKK: Prunksitzung 26.01.2013

-------------------------------------------------------------------------------------

Helmar Weitzel kocht prima im Willi-Stil

 Rezension zu „Willi kocht“

 

 Bereits nach der ersten Durchsicht von „Willi kocht“ ist man erstaunt, wie professionell das Buch gestaltet ist, wie gut die zahlreichen Fotos und Kommentare aufeinander abgestimmt sind, und wie vielseitig und lebhaft die Ausführungen auch in sprachlicher Hinsicht sind. Bei genauerer Prüfung bestätigt sich dieser ganz und gar positive Eindruck zunehmend: Es ist dies ein Buch, in das man auch unabhängig von der Koch-Thematik gern schaut. Willi gelingt es auch in diesem Bereich in hervorragender Weise, dem zu entsprechen, was man mit seinem Namen verbindet, nämlich zugleich niveauvoll und mit Witz die Zielgruppe für etwas begeistern zu können.

 

Und zu dieser Zielgruppe zählen bekanntlich vor allem die Kinder – aber durchaus nicht nur diese. Erinnert sei an die großen Erfolge mit „Willi will’s wissen“ (172 Folgen), die ihren Grund in der Glaubwürdigkeit des „Reporters“ Willi haben. Denn er verfügt wie kaum ein anderer über die – nicht durch Lernen zu erreichende - Fähigkeit, sich in die Gedankenwelt von Kindern hineinversetzen zu können. Anders war das auch nicht in dem Kinofilm „Willi und die Wunder dieser Welt“ oder in „Willis Quiz Quark Club“. Nicht umsonst ist er mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht worden, so mit dem Adolf-Grimme Preis, dem Erich-Kästner-Fernsehpreis, dem Robert-Geisendörfer-Preis, um nur einige der Preise zu nennen. Darüber hinaus ist er als Moderator zahlreicher Veranstaltungen hervorgetreten, ist Unicef-Pate, und hat mit Sendungen wie „Willis Vips“ oder in den bisherigen Folgen von „Ein guter Grund zu feiern“ einen hervorragenden Eindruck hinterlassen. Außerdem hat Willi erfolgreich in Begleitung eines Orchesters seine Version von „Peter und der Wolf“ (nach S. Prokofiev) vorgetragen, sowie zuletzt in gleichem Stil (im Oktober 2012 in Marburg) die Kinderoper „Hänsel und Gretel“ (nach E. Humperdinck).  

 

Dass Willi nunmehr ein Kochbuch publiziert hat, mag zunächst erstaunen. Immerhin meinen bekanntlich ja viele Promis, sie müssten in diesem Sachbuch-Bereich mit ihrem Namen auf sich aufmerksam machen. Natürlich ist das grundsätzlich durchaus legitim. Nur glaubt man oft, es sei dies ein Kinderspiel (nicht anders als das Verfassen eines Kinderbuchs, wozu sich manche ebenfalls berufen fühlen). Dass „Willi kocht“ sich von gängigen Kochbüchern durchaus unterscheidet, ist bereits angedeutet worden: Vor allem bleibt er seinem Stil treu, in erster Linie die Zielgruppe im Auge zu haben, hier Kinder zum Mitmachen beim Kochen anzuregen, ohne sie dabei zu unterfordern oder zu überfordern. Er hat gewiss kein Kochbuch gemacht, nur um ein Kochbuch zu machen. Denn so, wie er Kinder motiviert, zusammen mit einem/einer Erwachsenen verschiedene Gerichte auszuprobieren, so ist er selbst umgekehrt von einem Kind dazu motiviert worden, sich an das Verfassen des Buches zu machen. Als „Initialzündung“ gleichsam wirkte nämlich, wie Willi bekennt, die Äußerung „Papa, kann ich helfen?“ des auf der Titelseite abgebildeten Jungen. Dieser findet sich zusammen mit seiner Schwester (Kinder von Freunden Willis) auch sonst auf verschiedenen Seiten des Buches als Bestandteil der vielfältigen Illustrationen.

 

Das Buch zeichnet sich der Konzeption nach wesentlich dadurch aus, dass das gemeinsame Zubereiten von Gerichten (und im Kapitel „Feuchtes und Fröhliches“ auch von Getränken) im Zentrum der Aufmerksamkeit steht: Es handelt sich um sehr genaue Anleitungen, nach denen ein Kind zusammen mit einer erwachsenen Person vorgehen kann (bzw. laut Willis Empfehlungen am besten vorgeht), um von den Zutaten jeweiliger Rezepte sowie den nötigen Vorbereitungen und durchzuführenden Tätigkeiten schließlich zu einem schmackhaften Ergebnis gelangen zu können. Bei großräumiger Gestaltung auf jeder Seite werden die Küchengeräte (als Schwarz-Weiß-Zeichnungen) angeführt, dann die Zutaten großzügig auf einer linken Spalte untereinander (z.B. „5 getrocknete Tomaten“; vgl. unter „Kuss-Kuss-Salat“). Der wichtigste, und ebenso zu jedem Rezept durchgehaltene Aspekt ist aber: In der mittleren Spalte gibt Willi dem Kind („Kleiner Koch“) Schritt für Schritt genaue Hinweise, was im Einzelnen zu tun ist (z.B. „in kleine Streifen schneiden“). Ebenso wird auf der rechten Spalte (aber in roter Farbe) der erwachsenen Person („Großer Koch“) angegeben, welche Aktivitäten parallel oder begleitend durchgeführt werden sollen (z.B. „in einer Pfanne ohne Öl rösten“). Was jeweils zu tun ist, dürften die daran beteiligten Erwachsenen wohl meist durchaus wissen. Allerdings ermöglicht diese tabellarische Darstellungsweise dem Kind – gerade im Sinne einer gemeinsamen, das Kind dabei anlernenden Tätigkeit –, die erforderlichen Schritte selbst gut nachvollziehen und dabei eine aktive Rolle einnehmen zu können. Das Kind könnte z.B. die erwachsene Person darauf hinzuweisen, was nach der eigenen Aktivität nun Seiten der/des Erwachsenen zu erfolgen hat. 

 

Bemerkenswert ist daran, dass sozusagen jeder Handgriff angegeben (durchaus nicht vorgeschrieben) wird – für „Kleiner Koch“ und „Großer Koch“ gleichermaßen. Am Rande sei angemerkt: Wenn man die Systematik der Vorgehensweise aus theoretischer Sicht einordnen möchte, so lässt ich feststellen: Eine solche Vorgehensweise kommt durchaus überein mit Konzepten der „Scripts“, „Plans“ und „Frames“, wie sie im Rahmen der kognitiven Wissenschaften (kognitive Psychologie und Linguistik) vorgeschlagen worden sind und als „schemaorientierte Ansätze“ zusammengefasst werden. Solch ein „Script“ z.B. lässt sich als eine Art Drehbuch für stereotypische, alltägliche Abläufe auffassen, ausgehend von „Zutaten“ (beteiligte Personen und deren Rollen, sowie der jeweiligen Handlungsabläufe).

 

Nun ist Kochen samt Zutaten, Vorbereitungen und schließlich der Zubereitung durchaus nicht mehr als nur eine Praxis. Gleichwohl spielen dabei sehr differenzierte planerische Prozesse (Abfolge der verschiedenen Schritte und ihrer sachlogischen Verknüpfung) eine Rolle, die im Vorfeld kognitiv vorweggenommen werden müssen bzw. zu bedenken sind, gerade wenn man das alles für andere mit- und nachvollziehbar darstellen will. Und hierzu ist zunächst festzustellen, dass es Willi in sprachlicher Hinsicht sehr gut gelungen ist, die verschiedenen Schritte bis zur Fertigstellung eines Gerichtes in lebhafter und kreativer Art und Weise – eben willihaft – zu vermitteln. Was hier nicht minder ins Gewicht fällt sind die Illustrationen. Diese lassen sich als derart gut gelungen bezeichnen, dass man nur feststellen kann: Besser kann man die Gestaltung kaum machen. Man hat sich hier nicht auf obligatorische große und kleine Abbildungen zu den fertigen Gerichten beschränkt, wie man das aus sonstigen Kochbüchern kennt. Vielmehr ist nahezu jede Seite (über das genannte Grundschema hinaus) etwas anders gestaltet, ohne dass man sagen könnte, die Seiten seien mit Illustrationen überladen.

 

Einheitlich gestaltet sind jeweils zwei Seiten zu jeder neuen Rubrik. Zu „Salate“ z.B. findet sich auf der einen Seite eine ganzseitige farbige Abbildung (Willi mit den beiden Kindern bei der Arbeit). Auf der anderen Seite steht im goldenen Schnitt der Titel („Salate“) mit dem lustigen Spruch „Da haben wir den Salat…“, darunter eine Bilderfolge (in Kleinformat; ähnliche Motive wie die des großen Fotos). Oben auf der Seite findet sich außerdem eine witzige, wunderschöne Comic-Zeichnung zu dem Thema. Für den Einstieg in die anderen Rubriken des Buches sind diese Seiten auch von der Raumaufteilung her gleich gestaltet: „Suppen“, „Kartoffeln“, „Nudeln“, „Hauptgerichte“, „Desserts“, „Backen“, und „Getränke“. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass sich ganzseitige farbige Abbildungen auch zu einzelnen Gerichten finden, dann meist mit Willi, der mit einem Schild in der Hand („Mein Tipp“, „Mein Geheimtipp“) mit ergänzenden Tipps aufwartet, einen Scherz bereithält etc. Außerdem finden sich verschiedene Tipps (in Schreibschrift) auch auf den Seiten mit den Instruktionen zu den Gerichten. Des Weiteren sind zu nennen: „Willi Spezial-Info“ (z.B. zu Wirkstoffen der Karotte), kurze Ausführungen auch z.B. zur „Geschichte der Kartoffel“, zu Dialektwörtern für „Kartoffel“ (vgl. „Willis Quizfrage“ auf S. 48), verschiedene Hinweise der Art „Willis Lieblingssuppe“, Hinweise auf Bezeichnungen für „Guten Appetit“ in anderen Sprachen (z.B. „Afiyet olsun!“ für das Türkische). Mit anderen Worten: Die Illustrationen sind dem Typ nach variabel gehalten und wohlüberlegt im Sinne einer ästhetisch ansprechenden Gestaltung eingesetzt. Daran kann sich ein „Kleiner Koch“ ebenso erfreuen wie ein „Großer Koch“.

 

Die Vorspanntexte des Buches sind ebenfalls sehr gut gestaltet. Hier spricht Willi in einem der Textteile zunächst die kleinen Köche in der für ihn typischen Art an („Liebe kleine Köche!“), anschließend auch in ebenso erfrischender Art und Weise die großen Köche („Liebe große Köche!“). Sodann macht er Ausführungen zur Vorgehensweise und zu den nachfolgenden Textteilen (unter „So funktioniert’s“). Darauf folgen weitere Textteile, so „Spielregeln – Kochen mit Kindern“. Dort werden verschiedene Empfehlungen gegeben, hier unter anderem „Messer nicht abschlecken!“, oder zum Händewaschen. Natürlich mag man sich fragen, ob das nötig ist. Aber wären derartige Ausführungen (auch z.B. zur „Aufsicht des großen Kochs“ am Herd) nicht gemacht worden, könnte man sich Einwände verschiedener Art leicht vorstellen. Ein weiterer Textteil dieser Art ist z.B. „Gemüse schneiden“. Dort wird erläutert und in Bildserien – die sich übrigens auch sonst zu den einzelnen Rezepten finden – dargestellt, wie man „Zwiebel würfeln“, „Knoblauch würfeln“ etc. macht. Die Ausführungen richten sich also an die „Kleinen Köche“. Daneben werden auf einer Seite auch verschiedene Ausdrücke erläutert, die in den Koch-Anleitungen vorkommen. Der Nachspann des Buches umfasst sodann die Teile: „Willis Küchenschrank“ (mit Zeichnungen samt Legende zu „Sieb“ etc.), dann das „Rezeptregister“, „Praktische Tipps“ (zu verschiedenen Verfahrensweisen der Art „Nudeln kochen“, „Salat waschen“), sowie das Impressum („Über dieses Buch“), anschließend noch einige Tipps, und am Ende eine Danksagung auf der hinteren Umschlagseite innen.

 

Was das Styling, die Illustrationen, die Aufnahmen etc. angeht, sei auf die Angaben im Impressum verwiesen, sowie auf die Danksagungen Willis an diejenigen Personen, die an der Erstellung des Buches beteiligt waren. Gleiches gilt für die Personen, die im engeren Sinne an den Inhalten (Rezepte für die Gerichte) maßgebend mitgewirkt haben. Erwähnt sei in diesem Zusammenhang, dass Willi von dem Koch Jürgen Füssel beraten worden ist, der über einen großen Erfahrungsschatz in Sachen „Kochen mit Kindern“ verfügt. Willi hat die Rezepte übrigens auch selbst ausprobiert, also alle damit verbundenen Handgriffe durchgespielt. Es ist also von ihm gewiss nicht leichtfertig etwas von einer mit dem Kochen bzw. mit Kochrezepten professionell befassten Person einfach ungeprüft übernommen worden. Und er hat vor allem dafür gesorgt, dass sein Stil durchweg in allen Aspekten zum Tragen kommt, um die es in dem Buch zentral geht: zum gemeinsamen Tun von Kindern und Erwachsenen zu motivieren – hier bei der Zubereitung von Gerichten. Es ist dies ein Buch, das inhaltlich und der Gestaltung nach im Bereich der Kochbücher die deutsche Buchlandschaft auf jeden Fall bereichert.

 

Aber Gefallen an dem Buch dürften auch alle die Freunde von Willi finden, die überhaupt (oder fast) nicht kochen können oder kochen wollen. Man mag sich nämlich berechtigterweise beispielsweise Fragen der Art stellen: Sind die Rezepte für die Zielgruppe sinnvoll ausgewählt worden? Hat Willi alle Zutaten genannt, die Personen ebenfalls wählen würden, die sich mit dem Kochen sehr gut auskennen? – Dazu sind an dieser Stelle keine Ausführungen zu erwarten, was abschließend bedauerlicherweise in eigener Sache und damit in bekenntnishafter Weise angesprochen werden muss: Ich kenne mich diesbezüglich so gut wie nicht aus, befinde mich also im Zustand relativer Unbedarftheit in Sachen Kochen bzw. Zubereitung von Speisen. Gleichwohl sei darauf hingewiesen, dass die gelungenen Ausführungen des Buches (und natürlich auch die Illustrationen und die anregenden sowie witzigen Kommentare) nicht folgenlos geblieben sind, was meine Person angeht: Denn ich bin mittlerweile dermaßen motiviert, dass ich jetzt sofort darangehen werde, etwas auszuprobieren: Ich will’s wissen! Ich denke an eines dieser Getränke, das es mir besonders angetan hat, und wofür sich mir die Instruktionen zu dessen Herstellung leicht zu erschließen scheinen: dieses „Erdbeer-Banane-Birne-Smootie“ nämlich, wozu Willi diese schöne und witzige Erläuterung gemacht hat: „Das wird ungefähr so ausgesprochen: Smu-sies (das mittlere ‚s“ wird gelispelt)“. Nur werde ich das Getränk mit ein wenig Whisky sozusagen etwas veredeln. Willi, der auf eine derartige Verfeinerung bzw. Modifikation eines seiner Getränke-Rezepte verständlicherweise nicht eingehen konnte, wird mir das sicher vergeben. 

 

W.W.

 

------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Anmerkungen zu „Il trovatore"/"Der Troubadour“

(Landestheater Detmold: Paderborn, 10.04.13)

 

Ich möchte einige wenige Anmerkungen zu der Veranstaltung machen, obwohl ich zuerst daran dachte, davon Abstand nehmen zu sollen. Aber nachdem ich noch am Abend nach der Aufführung in das Heft geschaut habe, das ich im Rahmen der Vorstellung gekauft hatte (Umfang: 81 Seiten; kleinformatig), dachte ich mir, etwas äußern zu müssen, was z.B. in Zeitungskommentaren sicherlich nicht angesprochen wird. In meiner Eigenschaft als Sprachwissenschaftler, Wörterbuchmacher etc. bin ich sozusagen insofern fachfremd, als ich nicht aus der Musikszene komme. Als Sprachkritiker (siehe z.B. „Subkutane Lektionen“ im Internet) und in der Musik einigermaßen bewanderte Person glaube ich dennoch einige weiterführende Bemerkungen zu der Vorstellung der Landesbühne Detmold machen zu können.

Und damit bin ich bereits beim ersten Punkt, sozusagen beim Präludium (bzw. Proömium): Ich möchte in aller Deutlichkeit und ohne jede Einschränkung zu der sprachlichen Verfasstheit des genannten Heftchens sagen, dass ich beeindruckt bin. Sonst hatte ich öfters polemisch geäußert, dass ich an jedem Text im Umfang von mehr als zehn Zeilen mit Sicherheit etwas auszusetzen finden würde – sei es die Rechtschreibung (einschließlich Interpunktion) betreffend, seien es Mängel der logischen Verknüpfung, oder seien es sonstige stilistische Mängel. Aber all das konnte ich hier nicht feststellen. Ich halte also fest: Meine Polemik, den von mir so bezeichneten alltäglichen Analphabetismus betreffend, muss ich angesichts der zur Kenntnis genommenen Formulierungsresultate relativieren. Beeindruckt hat mich vor allem auch, dass man das Semikolon noch kennt, also nicht (wie sprachlich Unbedarfte heute) vollständige Sätze mit einem Komma anschließt. Mit anderen Worten: Es hat mich gefreut, dass heute noch Personen existieren, die Texte derart gut formulieren können.

Und noch etwas – als Zusatz im Rahmen des Präludiums -: Ich war bei der Einführungsveranstaltung, in der eine Dame die Oper vorgestellt hat. Auch hier kann ich nur sagen: Die Formulierungskraft der Dame, deren Namen ich nicht kenne, war hervorragend. Wir wissen, wie komplex die Oper ist, für wie problematisch schon zu Lebzeiten Verdis das Libretto (samt Ausgangstext) angesehen worden ist, etc. Die Dame hat ihre Ausführungen sehr ansprechend und lebhaft gestaltet. Ich hätte mir allerdings gewünscht, wenn Sie auch auf die Darstellerinnen und Darsteller etwas eingegangen wäre. Aber es war wohl beabsichtigt, Ausführungen dazu auszusparen. Ihre abschließenden Darlegungen zu den Bühnenbildern der einzelnen Szenen vermittelten mir – gerade auch rückblickend beurteilt - den Eindruck, sich für gewisse ungewohnte Arrangements entschuldigen bzw. im Voraus daran appellieren zu müssen, dass man Verständnis für eine gewisse moderne Interpretation aufbringen müsse. Doch warum sollte man nicht einen Bezug zur Gegenwart herstellen? Hätte man alle Aktivitäten in weit zurückliegenden Zeiten belassen sollen, nämlich den Bürgerkrieg um 1400, die Hexenverbrennung, in dem Zusammenhang eine Kindstötung durch Verwechslung, sowie all die schwerwiegenden Traumata und belasteten zwischenmenschlichen Verhältnisse zwischen den vier Hauptakteuren? Erstens geht es im Wesentlichen um die psychische bzw. seelische Verfasstheit der vier Hauptakteure und deren Verhältnis untereinander, und zwar als Resultat bzw. Reflex verschiedener furchtbarer Vorkommnisse, welche in verschiedenen Szenen lediglich referierend zur Kenntnis gebracht werden. Das ständige Gerede in Zeitungsbeiträgen zu dieser Oper (natürlich voneinander abgeschrieben), die Vorlage sei wirr etc., alles viel zu komplex bzw. kaum nachvollziehbar, kann man kaum noch hören: Ein Dünnbrettbohrer war Verdi gewiss nicht (gewiss auch nicht in sprachlicher Hinsicht). Der hatte sicher gute Gründe, diesen Stoff zu wählen. Zweitens hätte sich ein Bezug zur aktuellen Gegenwart im Rahmen der Rezeption assoziativ ohnehin eingestellt, nämlich z.B. mit Blick auf die furchtbaren Geschehnisse in Syrien und anderen Ländern. Und wer zufällig eine Meldung wie die vom 08.04.13 gehört hat, nämlich dass in Papua-Neuguinea gerade zwei Frauen aufgrund von Hexerei-Vorwürfen hingerichtet worden sind, der oder dem mag auch dies als eine auf  den „Troubadour“ beziehbare Aktualität erschienen sein. Was individuell kognitiv erfasst wird, ist ohnehin lediglich ein Interpretations-Konstrukt! Dieses kommt dadurch zustande, dass die verschiedenen einzelnen Aktivitäten (hier solche auf der Bühne) einem jeweiligen Handlungstyp zugeordnet werden und somit als Handlung der und der Art gedeutet/interpretiert werden. 

Ich komme im Rahmen meines Kommentars nun zum Interludium: Zahlreiche Personen, die sich durchaus für Opern interessieren, scheinen sich bereits im Vorfeld sachkundig gemacht zu haben, was die Aufführungspraxis durch die Landesbühne angeht (vgl. z.B. den Filmausschnitt im Internet): Nicht von Ungefähr blieben etliche Plätze leer. Mit Sicherheit ist davon auszugehen, dass es sich bei denjenigen Personen, die ferngeblieben sind, um solche Personen handelte, die wohl eine übertrieben modernistische Inszenierung durch einen Newcomer befürchteten, der sich damit meinte profilieren zu müssen. Es ist doch so, dass viele durchaus an der Klassik Interessierte die Erfahrung gemacht haben, dass bekannte Theaterstücke und Opern durch Inszenierungen gewisser Art veralbert worden sind. Damit bringt man Jugendliche nicht zur Oper. Aber die Alten, die teils sachkundig sind, und die eine gewisse konstante Erwartungshaltung haben, wonach (hier) eine Opernaufführung einem gewissen Ritus folgen sollte (ein Ritus besteht übrigens darin: „dasselbe noch einmal“), nur verschreckt werden. Nun muss man allerdings sagen: Anlass für derartige Befürchtungen hat die Aufführung von „Der Troubadour“ meines Erachtens nicht gegeben: Hier sind die Akteure (Sängerinnen/Sänger) eben nicht nackt herumgesprungen oder haben ein albernes und gänzlich unwürdiges Kaspertheater aufgeführt. Und da gab es auch sonst nichts Anstößiges in einer Art und Weise, die hätte Anlass sein können, die Aufführung insgesamt abzulehnen bzw. ihr gleich fernzubleiben.

Ich komme nun zum Purgatorium: Bei aller denkbaren Kritik an manchen Details war eines nicht zu übersehen, nämlich dass wir Sängerinnen und Sänger erlebt haben (die Chöre inbegriffen), denen man höchstes Niveau bescheinigen kann - und zwar gleichermaßen in gesangstechnischer Hinsicht, wie im Hinblick auf ihre sonstigen darstellerischen Fähigkeiten. Ohne die anderen damit herabsetzen zu wollen, möchte ich dazu sagen: Marianne Kienbaum Nasrawi (als Leonore) und Evelyn Krahe (als Azucena) können es mit jeder Sängerin in ihrer Sparte aufnehmen. Um darüber im Einzelnen ein sachgemäßes Urteil abgeben zu können, fehlen mir zwar die Fachkenntnisse; aber aufgrund verschiedener, mir zugänglicher, Präsentationen auf Platte und CD glaube ich eine solche Einschätzung vertreten zu können: Auch andere Mütter haben eben schöne Töchter! Hinter dieser Anna Netrebko beispielsweise (wie auch immer sie zu ihrem Ruhm und ständiger Präsenz im Fernsehen gekommen sein mag, obwohl sie ja wirklich auch etwas kann) stehen die beiden Damen jedenfalls in keiner Hinsicht zurück. Sie haben durchweg in beeindruckender Weise agiert, wobei (aufgrund der Länge und wegen des großen Schwierigkeitsgrads der Partie) Leonore vor allem in den Schlusspartien in besonderer Weise und geradezu beeindruckend herausragen konnte. Allerdings sei darüber die überzeugende Leistung auch von Sarah Davidovic nicht vergessen, obwohl sie hier bloß in einer Nebenrolle als Inez aufgetreten ist.

Was die männlichen Rollen angeht, so muss man sich davon frei machen, immer nur an Pavarotti und weitere bekannte Akteure der Opernszene zu denken. Denn auch andere Sänger können etwas! So erscheint der Bariton Andreas Jören geradezu prädestiniert für die Rolle des Grafen von Luna. Aufgefallen ist hier besonders, dass er neben den gezeigten stimmlichen Qualitäten durchweg ganz hervorragend schauspielerisch agiert hat. Aber auch der in der Nebenrolle des Ferrando auftretende Joonyoung Kim hat in jeder Hinsicht überzeugt. Gleiches muss man für Emmanuel di Villarosa in der Rolle des Manrico feststellen. Stimmgewalt kann man ihm gewiss nicht absprechen. Ich halte es aber nicht für fair, ihn gegebenenfalls deshalb in der Beurteilung zu benachteiligen, weil er nicht gerade wie George Clooney aussieht bzw. dem Typus eines smarten Liebhabers entspricht, wie sich jemand dazu in der Pause geäußert hat. Meine ersten Bedenken galten zunächst durchaus diesem Aspekt bzw. dem daraus ableitbaren Glaubwürdigkeitsproblem, nämlich dass sich eine derart attraktive Leonore, wie sie von M. Kienbaum Nasrawi verkörpert wird, einem solchen Troubadour hingeben möchte. Bei genauerem Nachdenken allerdings hat sich diesbezüglich eine Änderung meiner Einstellung ergeben: Oft wird ja an Opernaufführungen kritisiert, dass der z.B. jugendliche Liebhaber nicht mit einer besonders attraktiv erscheinenden Person besetzt ist, oder die Rolle einer Geliebten von einer wenig unansehnlichen oder alten Sängerin übernommen wird. Eine solche Haltung erscheint mir allerdings als völlig verfehlt: Wenn es um die Sache geht, hier nämlich um die gesangliche Qualität (und das sonstige Agieren auf der Bühne), dann sind derart kleinmütige Vorgefasstheiten, das Erscheinungsbild eines Akteurs/einer Akteurin betreffend, abzulehnen. Von daher lässt sich der Umstand, dass Leonore einen unscheinbaren Mann liebt, der mit seinem wüstem Haar nicht gerade eine gepflegte Erscheinung abgibt (und der mit einem Gitarrenkasten auf die Bühne tritt, welcher fast so groß ist, wie er selbst), als Moment des Affronts gegen gewisse Erwartungshaltungen zu begreifen. Und genau dies, nämlich dass man derartigen Voreingenommenheiten etwas entgegengesetzt hat, ist zu begrüßen!  

In dem Zusammenhang sei schließlich auf zwei weitere Aspekte hingewiesen, die sich als  Durchbrechen gewisser Erwartungshaltungen bzw. als Affront gegen liebgewordene und verinnerlichte Wertmaßstäbe auffassen lassen, wie sie beim so genannten Bildungsbürgertum der älteren Generation weit verbreitet zu sein scheinen: verschiedene verfestigte Meinungsbilder bzw. Vorstellungs-Klischees, die als Bündel von Erwartungshaltungen eine Gemütslage bzw. psychische Verfasstheit ausmachen, welche sich gegen jede Irritation abschottet und (wie für rituelle Handlungen kennzeichnend) nur auf die Bestätigung des Gewohnten gerichtet ist: Und hier dürften insbesondere verschiedene Momente der Aufführung auf Ablehnung gestoßen sein, welche die eingesetzten Utensilien betreffen. So tritt Leonore in einer Szene zu Beginn, in welcher sie Ines von ihrer Zuneigung zum Troubadour berichtet, als schick gekleidete moderne Frau auf, die sich kess bewegt, sich zwischendurch die Lippen schminkt, und die raucht. Gleiches tut auch Ines, welche Leonore sogar während ihrer Gesangsdarbietung Feuer gibt (wenn ich es recht in Erinnerung habe),  sich wie Lili Marleen an die Wand lehnt, sich die Schuhe auszieht, etc. etc. Auch in anderen Szenen wird geraucht; und manch ein Zuschauer/eine Zuschauerin mag sich gefragt haben: Was soll das? – Einmal mehr ist darauf hinzuweisen, dass Reflexion nötig ist, um zu einem sachgemäßen Urteil gelangen zu können. Das Rauchen und sonstige Aktivitäten stehen hier im Dienste der Glaubwürdigkeit dessen, was im Rahmen der gesanglich vorgetragenen Äußerungen vermittelt wird: Nervosität, innere Bewegtheit, und teils wohl auch Zweifel, die angesichts der von Seiten der Ines geäußerten Bedenken bei Leonore aufkommen. Zumindest eine zentrale stereotype Vorstellung verbindet sich mit dem Rauchen, nämlich dass man aus Nervosität raucht. Ansonsten halte ich es für mutig und bewundernswert, dieses Gestaltungsmoment des Rauchen mehrfach eingebracht zu haben (nicht nur, weil ich selbst rauche bzw. dadurch in der Pause inspiriert worden bin, zu rauchen): Wenn man an das verstärkte Rauchverbot denkt, wie es von der EU erlassen worden ist (auf die man sich immer beruft, nachdem man vorher selbst diesbezüglich nachgeholfen bzw. dahingehende Regelungen eingefädelt hat) ist dies – aus der Sicht meiner Rezeption – als wunderbarer Affront gegen eine Praxis der Bevormundung anzusehen, die auch in NRW diskutiert worden ist.

Über die Durchbrechung des Rauch-Tabus hinaus war noch mehr auffällig das unentwegte Hantieren mit Koffern: Man singt mit einem Koffer auf dem Schoß, man wirft Koffer hin und her, man stapelt sie gar, und man öffnet sie und schließt sie wieder, etc. Mit den Koffern verbundene Aktivitäten erschienen mir (wie anderen) zunächst als penetrant und als modernistische Mache, die teils störend, irritierend, und zumindest absonderlich wirkte. Wenn man allerdings genauer darüber nachdenkt, kann man dem Einsatz dieses Utensils durchaus einen Sinn nicht absprechen: Zum Koffer-Stereotyp (mit der stereotypen Bedeutung, die sich mit dem sprachlichen Ausdruck Koffer bzw. mit einem Koffer als Gegenstand verbindet) zählt sicherlich, dass das Packen eines Koffers/von Koffern wesentliches Moment von Aktivitäten im Zusammenhang mit einer Reise ist. Unter zeitlichem Aspekt handelt es sich dabei um ein Übergangsstadium, betrachtet von einem Punkt der Vergangenheit aus, an dem man sich zuvor aufgehalten hat (von dem man hergekommen ist); oder man macht sich zu einem Punkt in der nahen Zukunft auf: In jedem Falle verbindet sich mit dem Hantieren mit Koffern, dass man entweder noch nicht ganz in der aktuellen Gegenwart angekommen ist, oder dass man gedanklich nicht mehr ganz bei der aktuellen Gegenwart ist (Vorbereitungen für die nahe Zukunft trifft). Assoziativ mag sich hier (zusätzlich) auch die Deutung/Interpretation im Sinne einer Zeitreise bzw. des Zeitenthobenen oder des Unterwegsseins einstellen – gerade auch im Hinblick auf die (gemäß Libretto) zeitlich weit zurückliegenden Ereignisse (bzw. hinsichtlich der tragischen Perspektiven am Schluss).

In dem Zusammenhang lässt sich auch ein Detail betrachten, das zunächst ebenfalls für Irritationen gesorgt haben mag: Manrico hebt mit einem Haken an der rechten Seite den Teppich bzw. den Bodenbelag der Bühne hoch, um sodann in der sich auf diese Weise bildenden Ecke gesanglich zusammen mit seiner Partnerin zu agieren. Dies lässt sich als Heraustreten aus dem aktuellen raum-zeitlichen Geschehen erfassen, das damit als arrangiert erscheinen muss. So gesehen ist dies eine Aktivität gleichsam auf einer Metaebene: Auf den gegebenen Zustand (der Bühnengestaltung) selbst wird, diesen arrangierend, eingegriffen, und damit dieser in besonderer Weise reflektiert. Wie die Inszenierung das Ergebnis einer Interpretation des Opern-Stoffs durch den Regisseur (Dirk Schmeding) und andere Verantwortliche ist, und wie diese Reflexion z.B. in dem Detail des Eingreifens eines Akteurs auf der Bühne (Manrico schafft sich eine Ecke) sogar als arrangiert vorgeführt wird, so muss unbedingt auch Reflexion auf Seiten der Rezipient(inn)en vorausgesetzt und erwartet werden können, um zu einer angemessenen Einschätzung der Aufführung gelangen zu können. Wenn letzteres gegeben ist, kann man im Ergebnis individueller Deutungen/Interpretationen nur zu dem Schluss gelangen, dass es sich hier um eine seriöse und sehr gut durchdachte Aufführung gehandelt hat. Nicht vergessen sei, zu erwähnen: In sehr vorteilhafter Weise sind nur zentrale Formulierungen des Librettos der italienisch gesungenen Oper als Überschriften eingeblendet worden. Abschließend möchte ich auf folgendes hinweisen: Beeindruckend waren nicht nur die Gesangsstimmen; ebenso beeindruckend (jedenfalls aus meiner individuellen Rezeptions-Perspektive) waren zahlreiche kleine, leicht zu übersehende Aktivitäten: So fasst z.B. der Graf von Luna die (wohl als schmuddelig angesehene) Zigeunerin mit seiner Serviette an der Schulter an. Erwähnt sei schließlich auch eine kleine Szene, die deshalb umso nachdrücklicher in Erinnerung bleiben dürfte, weil sie in ihrer markanten Schnörkellosigkeit einen großen Assoziationsspielraum (gerade auch angesichts aktueller Vorkommnisse in verschiedenen Teilen der Welt) eröffnet: Wie selbstverständlich, und ohne jede emotionale Regung auf Seiten der Beteiligten, werden Gefangene in Bündeln von adretten Damen nach hinten abgeführt.


 

W.W.
----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

„Schlafes Bruder“ vielfach beleuchtet

 

Ergebnisse einer Mehrfach-Lektüre des Erfolgsromans von Robert Schneider mit dem Titel „Schlafes Bruder“ (19. Aufl. Leipzig: Reclam 1998)

 

(Präludium: Einstieg im Stil des Autors; Interludium: Erstorientierung; Purgatorium: exhaustive Analyse auf allen Ebenen [muss noch überarbeitet werden; deshalb hier ausgelassen])

 

Werner Wolski

 

 

KANN DENN LIEBE SÜNDE SEIN?

 

(Gegenwort zu dem Leitmotiv „Wer schläft, liebt nicht" aus SCHLAFES BRUDER)

 

 

Wer schläft,

sündigt nicht.

 

Wer gesündigt hat,

schläft lange.

 

Wer schläft,

liebt gut!

 

Wer wenig schläft,

dem fehlt der Mut.

 

Wer lange schläft,

der hat ein Luder -

wer gar nicht schläft,

den Tod als Bruder.

 

 

 

 

I. P r ä l u d i u m : Der November 1998

 

Dass wir uns hier mit dem Erstlingswerk Schneiders auseinandersetzen, hat folgende Bewandtnis: Wir haben von dem Roman Kenntnis erlangt, als wir im Rahmen der mündlichen Staatsprüfungen im November 1998 fast zwei Wochen lang von morgens bis abends mit Prüfungsaufgaben befasst und nur zum Schlafen nach Hause gekommen waren. Denn es fügte sich zur selben Zeit - wir wissen nicht, weshalb - , dass im literaturwissenschaftlichen Teil der Prüfungen, denen wir protokollierend beizusitzen hatten (wie umgekehrt der Beisitz für den sprachwissenschaftlichen Teil von Kollegen und Kolleginnen aus der Literaturwissenschaft übernommen wurde), mehrmals ein uns vollkommen unbekanntes Werk, dessen Verfilmung sowie Möglichkeiten der Behandlung im schulischen Unterricht, Prüfungsthema gewesen ist.

 

Was uns zu Ohren kam, war die Rede von einem geheimnisvollen Stein, welcher dem Protagonisten des Romans namens Elias ein schicksalhafter Fixpunkt gewesen sei - einem grandiosen musikalischen Genius, der aufgrund erbärmlicher Lebensumstände nicht zu dem ihm gebührenden Nachruhm gelangen konnte. Und wir geben ohne Hehl zu, dass auf uns Schilderungen von unglaublich beeindruckender Orgelmusik, welche jener ohne entsprechende Schulung zu veranstalten in der Lage gewesen sein soll, nicht minder ohne Eindruck geblieben sind wie die im Rahmen der Prüfungsgespräche wiederholt vernommenen Ausführungen zu einer unerfüllten Liebe, welche den Helden des Romans am Ende offenbar in den Wahnsinn getrieben hat.

 

Und als sich Kandidatin und Prüfer gegenseitig mit Hinweisen auf die Schönheit einzelner Filmpartien geradezu überboten und auch der Prüfungsvorsitzende in die Schwärmereien mit einstimmte, ja wir nicht einmal wussten, was wir eigentlich protokollieren sollten, vielmehr befürchteten, sie würden sich alle in Kürze weinend in den Armen liegen, da wurden wir still und dachten: Welch ein Schauspiel!

 

Eine geheimnisvolle Glut schien in die Herzen gekommen. Es ist müßig, darüber zu forschen, weshalb bei den Beteiligten ein solches Einvernehmen in der Bewertung von Buch und insbesondere Film herrschte. Zwar richteten wir unseren Blick bald auf diese, bald auf jene Person in der Hoffnung, auch Einzelheiten des Textes in Erfahrung bringen zu können. Aber wie jede Hoffnung ohne Sinn ist, so mussten wir uns mit vager Ahnung zufrieden geben, es handele sich um ein ausgezeichnetes Werk. Immerhin spricht dafür, dass das Manuskript, wie uns zu Ohren kam, von etwa zwanzig Verlagen abgelehnt worden ist, ehe Reclam die Veröffentlichung übernahm. 

 

Es ist unbegreiflich, wie wenig wir als Beobachter damaliger Prüfungsgespräche über das Buch in seiner Eigenschaft als Sprachkunstwerk ausmachen konnten. Allzu einfach vernimmt sich der Gedanke, man habe das Buch überhaupt nicht gelesen. Wir denken, dass es recht zu behaupten ist, den Beteiligten müssten - man wird es angesichts ihrer spärlichen Ausführungen dazu nicht glauben - die wichtigsten Passagen zumindest inhaltlich vertraut gewesen sein. 

 

Zu jener Zeit kannten wir die Verfilmung nicht, und wir kennen sie auch jetzt noch nicht. Das ist wahr. So können wir die Frage nicht beantworten, ob die Darlegungen der einen oder anderen Kandidatin nun die Folge eines grell halluzinierenden Geistes war, der Merkwürdiges wahrnahm, oder ob es sich um den tatsächlich existierenden Umstand handelte, dass dem Buch in einzigartiger Weise eine diesem angemessene Verfilmung zuteil geworden ist. Gar manche Sonderlichkeit gäbe es von den Prüfungsgesprächen noch zu berichten.

 

Aber nach diesem irrsinnigen Beginnen heben wir die Augen von solchen Vorkommnissen und werfen in unserer niedrigen Schreibstatt einen kurzen Blick auf den Roman selbst. Zuvor müssen wir noch erläutern - und der Leser möge sich die Frage bewahren, wann wir die Darstellung endlich auf Besonderheiten des Werks hinführen -, dass wir ursprünglich durchaus nicht vorhatten, eine Art Rezension zu schreiben; vielmehr trachteten wir - mit hochgestimmtem Herzen nach der ersten oberflächlichen Begegnung - nur, den Roman für uns selbst genauer zu erforschen.

 

Da aber fügte es sich, dass wir von unserer Mitarbeiterin darauf aufmerksam gemacht wurden - und unser Herz überschlug sich vor Freude - , es gebe einen Rezensionsband zu dem Buch. Also untersuchten wir auch die dort versammelten Beiträge. Vieles, was wir dort lasen, erschien uns sogleich und erscheint uns auch jetzt noch niveauvoll und weiterführend, manches aber auch unbegreiflich und ganz und gar abwegig. Und mit zorniger Faust möchten wir den einen oder anderen Rezensenten festhalten und ihm ins Gesicht schreien: „Phantasiere nicht schwärmerisch und schönrednerisch herum. Sieh dir den Text doch einmal genauer an“! - Aber es würde nichts nützen; er würde es nicht verstehen. Wir müssten verstummen. Und weil wir das wissen, fassen wir ihn nicht mit zorniger Faust bei den Schultern. Besser machen wir uns selbst auf, ein paar Gedanken anzuschließen, die sich aufgrund der mehrfachen Lektüre des Buchs eingestellt haben.

 

II. I n t e r l u d i u m : Reflexionen angesichts der Erstlektüre

 

Die nachfolgenden Ausführungen zielen darauf, in Ergänzung der zur Kenntnis genommenen Beiträge aus Moritz (Hrsg.) 1996 sowie Möckel (1997), insbesondere auf einige sprachbezogene Eigentümlichkeiten des Buchs aufmerksam zu machen. Aus der Perspektive eines Beobachters, der sich viele Jahre mit dem Werk Paul Celans und der Celan-Philologie beschäftigt hat (siehe: „Gedeutetes verstehen – Sprachliches wissen“, Frankfurt [usw.]: Peter Lang 1999), ist es zunächst ganz und gar verblüffend, dass auf Seiten der Literaturkritik ganz ähnliche Muster in der Rolle von Einordnungsinstanzen hervortreten, wie diese im Hinblick auf das Werk Paul Celans von der Erstrezeption bis heute kennzeichnend sind. Dort hielten sich in der Kritik anfangs die Waage: eine übertriebene Verklärung des Werks sowie heftige Vorwürfe, der Autor wolle sich durch „Verheimlichung hinter das Wort" und sprachliche Verkünstelung interessant machen. Dass heute (nach fast 40 Jahren Celan-Philologie) das Pendel zugunsten der Einschätzung des Werks als „authentische Lyrik" ausgeschlagen ist, hat im Wesentlichen mit der gegebenen zeitlichen Distanz und mit dem Umstand zu tun, dass Dichtung dieses Typs sowieso keine Angelegenheit der breiten Masse werden konnte, mithin die Kritiker im Literaturbetrieb unter sich geblieben sind.

 

Für die Situation ist - neben der Projektion individueller Kenntnisse auf ausgesuchte  Kernausdrücke des einen oder anderen Gedichts - kennzeichnend, dass den irgendwann eingespielten Formeln des Typs „Magie" (der Form), „Metapoesie", „hermetische Lyrik", „Neigung zum Verstummen", fehlende „Repräsentation von Wirklichkeit" resp. „Weltverlust" u. a. m. bestenfalls neue Nuancen abgewonnen werden – Aspekte, auf die ausführlich in „Gedeutetes verstehen – Sprachliches wissen“ eingegangen worden ist. Und wo man sprachliche Aspekte des Werks anschneidet, sind dafür bis heute nur völlig erbärmliche sprachwissenschaftliche Einordnungsinstanzen zur Verfügung gestellt worden, die der theoretischen Ausrichtung nach irgendwo bei F. de Saussures signifiant und signifié stehen geblieben sind - wenn nicht gar auch dieses, aus dem Grundstudium späterer Literaturwissenschaftler(innen) stammende, Miminum noch mystifizierend fehlinterpretiert wurde, wie öfters geschehen.

 

Heute stehen Interpretationen im Sinne einer christlich-religiösen Heilsbotschaft neben solchen, die jeden für bedeutsam gehaltenen Ausdruck aus dem einen oder anderen Gedicht mit der Holocaust-Erfahrung des Autors in Verbindung bringen, das Werk kabbalistisch-mystisch deuten, es in die Nähe zum Existentialismus rücken, oder es gar aus der Warte kaum interpretierbaren esoterischen Gedankenguts betrachten. Einem nüchternen Beobachter bietet sich - angesichts allen Sprachgebarens, welches dem einen oder anderen Jargon verpflichtet ist - unweigerlich das Bild, dass die meisten Ausführungen zum Werk kryptischer als das Werk selbst sind, und dass die Einordnungsversuche mehr Ähnlichkeiten mit der Bibelexegese oder dem Wort zum Sonntag aufweisen, denn mit einem als wissenschaftlich anzusprechenden Zugriff. 

 

Und wo im legitimen Bemühen um Sachlichkeit der Versuch unternommen wird, durch teils akribische Recherchen den verschiedenen „versteckten" Anspielungen (die neben expliziten und per Kursivdruck gekennzeichneten Bezugnahmen auf andere Texte gegeben sind) bis in die entlegendsten Winkel nachzuspüren und die „Daten" zu „enttarnen", so wird auch hier oft genug nach dem Muster einer fragwürdigen Projektion vermeintlicher Wissensbestände auf die eine oder andere Gedichtpartie verfahren. Wenngleich nicht ausgeschlossen ist, damit auch der Erhellung des Gegenstand förderlich zu sein, kommt doch dem Kokettieren mit Ergebnissen von Recherchen (der Präsentation entsprechenden „Wissens") im wesentlichen die Rolle zu, gegen Konkurrenten im Literaturbetrieb einen Wissensvorsprung zur Geltung zu bringen.

 

Bei Paul Celan ist die Spannweite der Anspielungen so groß, dass die zahlreich gegebenen biblischen Bezüge, diejenigen zur internationalen Literatur (von Shakespeare bis Mandelstamm, Rilke, George, Kafka und vielen anderen mehr), sowie solche zur Musik (hier insbesondere zu Bach und Mozart qua Zitation und Anspielung, so Bezugnahmen auf die Fuge mit „Engführung") noch Jahrzehnte Anlass zu tiefschürfenden Untersuchungen geben dürften.

 

Sollte ein solches Schicksal auch „Schlafes Bruder" beschieden sein, wo doch auch hier die religiöse Thematik wie die musikalische gleichermaßen durchaus erzwingt, darauf Bezug zu nehmen? Nicht nur erste Ansätze dazu sind in dem „Materialien"-Band durchaus erkennbar, ohne dass an dieser Stelle zitierend einzelne Passagen der verschiedenen Aufsätze angeführt werden sollen (vgl. dazu unter 3.). Vielmehr ist eine genauere Sichtung der verschiedenen Ausführungen (von denen die meisten, wie gerechterweise hinzugefügt werden muss, in ganz vorteilhafter Weise sachlich gehalten sind) insgesamt dazu angetan, festzustellen: Wie sich die Bilder gleichen!

 

Der entscheidende Unterschied besteht allerdings darin, dass wir es hier mit einer ganz anderen Textsorte resp. Gattung zu tun haben. (Auf Details der auch in dem Materialien-Band angesprochenen Einordnungsprobleme vorliegenden Romans wird unter 3. eingegangen). Denn kein Roman kann ja diejenige propositionale Dichte, jenen Grad hoher Textverdichtung (und der Bezogenheit sprachlicher Ausdrucksmittel auf allen Ebenen) eines lyrischen Werks von Paul Celan oder einer Lyrik vergleichbaren Typs aufweisen. Er wäre dann - als gleichsam poetische Prosa - nicht oder nur bedingt „lesbar"; und ihm würde ein ersterem vergleichbares Schicksal zu Teil: Ratlosigkeit bei den Laien und bei den Experten gleichermaßen - mit dem Effekt, dass ein entsprechender Text zumindest beim breiten Publikum keinen Anklang finden könnte.

 

Aber „Schlafes Bruder" hat großen Anklang gefunden. Dass der Roman sprachlich durchkomponiert ist, wurde von Teilen der Kritik durchaus zutreffend festgestellt, ohne dies allerdings genauer zu belegen. Im Zusammenhang mit den zuvor gemachten Bemerkungen dazu (vgl. vorangehender Abschnitt) stellt sich die Frage, ob Eigentümlichkeiten der Vernetzung sprachlicher Ausdrucksmittel einen Einfluss auf die gegebene Wertschätzung des Werks bei einem Großteil der Rezipienten haben bzw. hatten, oder ob sich nicht ggf. der immer wieder vermerkte positive Effekt eingestellt hat, o b w o h l  gewisse sprachliche Eigenschaften den Roman in die Nähe einer poetischen Prosa rücken.    

 

Paul Celan hat (nach einem Bild von Mandelstamm) in der „Bremer Rede“ (1960) davon gesprochen, dass das Gedicht als „Erscheinungsform der Sprache" seinem „Wesen nach dialogisch" ist,  es eine „Flaschenpost" sein könne, „aufgegeben in dem - gewiss nicht immer hoffnungsstarken - Glauben, sie könnte irgendwo und irgendwann an Land gespült werden, an Herzland vielleicht". Ein Schriftsteller muss diesen „hoffnungsstarken Glauben" haben, ein  unbekanntes Gegenüber erreichen zu können. Der Autor von „Schlafes Bruder" hat diesen Glauben selbst nach zahlreichen Versuchen, sein Manuskript unterzubringen, nicht aufgegeben. Und wenn dann am Ende auch noch die Kasse klingelt - umso besser! Was Paul Celan angeht, so ist dessen Ausgangslage bei Eintritt in die Literary Community (worauf hier nicht eingegangen werden kann) und sind auch seine Erfolge kaum mit der des Roman-Autors vergleichbar. Von Paul Celan kann überhaupt nicht behauptet werden, er habe es geradezu darauf angelegt, per Fernsteuerung, besondere Aufmachung oder auf welchem Wege auch sonst - um im Bilde zu bleiben - der Flaschenpost den nötigen Kick oder Drall zu geben, um Herzländer gleich massenhaft zu erobern.

 

Daran lässt sich die Frage anschließen, ob nicht Schneider diesbezüglich, nämlich die Flaschenpost in geeigneter Weise befördert zu haben, viel geschickter verfahren ist als jener - wo schon für die Prosa, insbesondere den Roman, entsprechende Kalkulationen sowieso leichter zu bewerkstelligen sind als für die Lyrik. Damit keine Missverständnisse entstehen, sei hier verdeutlichend hinzugefügt: Es wird nicht von der Vorstellung ausgegangen, den Umstand, dass gewisse Formulierungsresultate dichterischer Sprachlichkeit nur bei wenigen sozusagen „ankommen", zum Maßstab ihrer Qualität zu machen, und umgekehrt eine gegebene massenhafte Verbreitung entsprechender Elaborate als Indiz für vorhandene Niveaumängel zu nehmen. Auch ein gutes Kunstwerk muss gefallen dürfen! Es darf auch auf den ersten Blick, d.h. während der Erstlektüre, gefallen - und zwar gleichermaßen dem naiven Leser, wie dem kundigen. Ob sich weitere Lektüreschritte anschließen oder nicht, ist eine Mentalitätsfrage: Wer die Veranlagung dazu hat, immer weiter ins Detail zu gehen, wird natürlich seine Intuitionen begründeter vortragen können, und wird das sich nach der Erstlektüre einstellende Verstehen ggf. sogar revidieren müssen.

 

Für vollkommen unangebracht erscheint es, im Rahmen vorliegenden Beitrags bekenntnishafte Äußerungen der Art zu machen, wie sie in verschiedenen Rezensionen des genannten Bandes hervortreten. Gleichwohl sei darauf hingewiesen, dass während der Erstlektüre von „Schlafes Bruder" durchaus zu einem positiven Gesamteindruck gelangt wurde, welcher - wie noch zu zeigen ist - sich auch nach mehreren Lektüredurchgängen nicht als Fehleinschätzung erwies.

 

Gedankenexperimente kritischer Natur, die während der Erstlektüre angestellt wurden, waren folgender Art: Auf der Ebene der Story betrachtet ist das Szenario, in welches der Leser hineinversetzt wird, ausgefallen und bis ins kleinste Detail dem Extremen verpflichtet, woran nicht nur positive Assoziationen anschließbar waren. Auch ist eine gewisse Aufdringlichkeit des Erzählers als nicht nur angenehm empfunden worden, welcher für die häppchenweise präsentierten Daten (in neunzehn Abschnitten, die durchschnittlich nur etwa zwölf  Seiten umfassen) ständig auch gleich Deutungen mitliefert, die Leser und Leserinnen mit Hinweisen auf die in Kürze erfolgenden Ausführungen zu dem und dem Detail beruhigt, und der sich überhaupt bei der unbekannten Leserschaft zunehmend anzubiedern und sich ihrer Sympathie rückzuversichern sucht. Müssen nicht dem kundigen Leser - was z.B. in verschiedenen Büchern A. Lindgrens angesichts einer kindlichen Leserschicht als angebrachter Kunstgriff erscheint - derartige Hilfestellungen als Gängelung im Prozess der Erlangung eines eigenständigen Verständnisses und gar als Unterschätzung seiner Text-Erarbeitungskompetenz erscheinen? 

 

Eine erste kritische Einschätzung lief des Weiteren auf die Vermutung hinaus, hier sei ggf. ein Fanatiker am Werk, welcher sich als verkanntes Genie begreift und mit allen Mitteln (wenn schon seinem „Helden" in dessen Metier der Musik ein Nachruhm versagt geblieben ist) einen schriftstellerischen Erfolg herbeiführen möchte, und welcher dabei skrupellos sämtliche Register zieht, um potentielle Leser in seinen Bann zu ziehen, sie gleich in verschiedener Hinsicht in Erregung zu versetzen (in modernen didaktischen Bezügen würde man Vergleichbares ansprechen als „Lernen mit allen Sinnen"), den Lesern mithin eine Rezeptur verschreibt, deren Zusammensetzung etwa so aussieht: Man nehme ein wenig Düsternis von Umberto Eco, gewisse Absonderlichkeiten des Oskar von Grass (dessen erster Roman schließlich ein großer Erfolg wurde), ein wenig kafkaeske „Verwandlung" (und/oder ein wenig bekanntere jenes Dr. Jekyll und Mr. Hyde), sowie einen Schuss wahre Liebe, die allerdings - um der nötigen Tragik willen - unbedingt unerfüllt bleiben muss, wobei sich zur Charakterisierung des Gefühlslebens der weiblichen Person eine Ausrichtung an Faust's Gretchen als günstig erweist. Des Weiteren treibe man den Geniegedanken, der immer gut ankommt, auf die Spitze (schließlich sehen fast alle Eltern ihr Kind als verkanntes Genie an; wenn es nicht gleich in der Mini-Playback-Show auftreten kann, sind daran natürlich nur die Verhältnisse schuld. Selbstverständlich muss alles auch ein bisschen mit Sex versetzt sein - sowohl in normaler, wie auch in perverser Form; denn ohne eine gewisse Dosis an Sex geht heute schließlich in keinem Medium mehr etwas.

 

Noch wichtiger sind aber wohl andere Zutaten, nämlich das im Verein mit der durchgängigen Bezugnahme auf Formen der Religiosität und göttlichen Lenkung zur Geltung zu bringende Irrationale im engeren Sinne, das dem verstandesmäßigen Begreifen sich entziehende Wunder, das Mysterium (samt damit verbundener körperlicher Attribute). Das eine oder andere (ggf. auch alles zusammen) aus diesem Bereich vermag - in Abhängigkeit von individuenspezifischen Neigungen - religiös ausgerichtete Leserschichten wie gleichermaßen solche anzusprechen, die längst von der Religion abgefallen, diesbezüglich aber einer sentimentalen Sichtweise durchaus verpflichtet geblieben sind.

 

Leser investieren bzw. realisieren bei der Rezeption von Kunst emotive und kognitive Leistungen, welche ihre alltäglich erfahrene und erfahrbare Wirklichkeit - durchaus kontrafaktisch - in einen als sinnvoll empfundenen Zusammenhang zu bringen und damit zu transzendieren vermag. Angesichts eines legitimen Bedürfnisses nach Orientierung in existentiellen Fragen ist auch im Hinblick auf die Thematisierung religiöser Grenzerfahrungen grundsätzlich nichts daran auszusetzen, soweit eine seriöse Problembehandlung auf Seiten des Textproduzenten gegeben ist. (Davon wird hier ausgegangen; vgl. die Ausführungen unter 3.: Purgatorium).    

 

Eine problematische Seite eröffnet sich der an dieser Stelle angesprochenen Thematik im Wesentlichen nur dann, wenn man in Erwägung zieht, es werde mit dem Roman ggf. auch esoterischen Auffassungen zumindest zugearbeitet, wenn nicht gar die Zuwendung derartiger Leserschichten einkalkuliert. In einer Zeit, in welcher esoterische Literatur gleichberechtigt neben wissenschaftlicher in den Regalen der Buchläden steht bzw. liegt, eine Vielzahl von Wahnsystemen ganz unterschiedlicher Provenienz nahezu hoffähig geworden ist, ja schon in Grundschulen der Satz „Gib mir mal dein Mandala!" öfter zu hören sein soll als der Satz des Pythagoras, muss mit Anbiederungen an Trends diesen Typs (um des erhofften Verkaufserfolgs willen) durchaus gerechnet werden. Zu betonen ist allerdings, dass sich schon bei der Erstlektüre keine Anhaltspunkte dafür ergeben haben, dem Autor von „Schlafes Bruder" eine derartige Skrupellosigkeit unterstellen zu können, wie sie an dieser Stelle Gegenstand des Gedankenexperiments ist. Selbstverständlich ist, aufgrund der Unkalkulierbarkeit der auf Rezipientenseite einsetzenden Verstehensleistungen, kein Kunstwerk davor sicher, wie auch immer verstanden oder auch (relativ zur Autor-Intention) missverstanden zu werden!

 

Und schließlich die Musik, welche für eine offenbar von vornherein einkalkulierte Verfilmung ganz wichtig ist (und nur eine solche scheint heute den Erfolg zu garantieren): Da es schon - weil sie andere denkbare geniale Befähigungen weit übersteigt - nur die Musik sein kann, welche das Gemüt nach landläufiger Meinung und durchaus nicht zu Unrecht am unmittelbarsten anzusprechen vermag, gibt es bei der Auswahl eines geeigneten Utensils keinen großen Spielraum: An Klanggewalt und Vielstimmigkeit kann es kein anderes Instrument mit der Kirchen-Orgel aufnehmen. Wäre der Autor darauf verfallen, statt der Orgel die Gitarre oder z.B. die Trompete zu wählen, hätte er sich eines wesentlichen Mittels beraubt, auch auf der Ebene musikalischer Empfindungen ein Maximum an Erregungszuständen hervorrufen zu können. Obwohl kaum jemand der potentiellen Leser und Leserinnen aktiv die Kirchen-Orgel spielt, wird hier - so die Einschätzung während der Erstlektüre - mit dem Griff nach dem Extremen die einzig richtige Wahl getroffen, um auch diesbezüglich den angestrebten Effekt zu erzielen. Dieser stellt sich womöglich gerade dadurch ein, dass damit einerseits Ferne (Nichtvertrautheit im aktiven Umgang mit dem Instrument), andererseits aber Nähe qua Erfahrungen mit entsprechenden akustischen Erlebnissen gegeben sind, welchen übliche sozialisationsbedingte Erinnerungen an kindlich-religiöse Verbundenheiten assoziiert sein dürften.

 

III. P u r g a t o r i u m: Zweit-, Dritt- und 

     Viertlektüre [muss noch überarbeitet und gekürzt werden]

 -----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------


Laudatio anlässlich des 70. Geburtstags von Herbert Ernst Wiegand

 

Werner Wolski

 

 

Liebe Frau Wiegand,

Lieber Herr Wiegand,

Liebe Angehörige der Familie Wiegand,

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

 

Wir sind heute hier bei Ihnen, lieber Herr Wiegand, um Sie zu ehren, als Vorbild für einzigartigen beruflichen Arbeitseinsatz, als Berater, als Freund, als Mitstreiter im Rahmen wissenschaftlicher Aktivitäten - oder auch einfach nur als  Menschen, der für andere da war und da ist, wenn es Probleme gibt. Mit dem vorliegenden Band, der Ihnen anschließend gleich überreicht wird, möchten wir, die Herausgeberinnen und Herausgeber, zusätzlich und in greifbarer Weise unsere Wertschätzung Ihrer bisherigen Lebensleistung als Forscher und akademischer Lehrer gegenüber zum Ausdruck bringen. Der Band wird nach der Ihnen heute in Sonderausstattung überreichten Form in Kürze bei de Gruyter veröffentlicht.

 

Die Früchte Ihrer bisherigen Lebensleistung, für die wir Ihnen auch im Namen all derer weltweit danken möchten, die heute nicht anwesend sein können und die Ihre Person genauso schätzen wie die Anwesenden, weil sie viel von Ihnen lernen konnten, sind nur unvollständig unter Hinweis auf eine geradezu überwältigende Anzahl von Veröffentlichungen zu benennen: Wir sehen Tausende von Seiten vor uns, die der Lexikographie gewidmet sind, aber auch zahlreiche Beiträge, die sich mit ganz anderen Themen befassen; wir kennen aus Ihren Schriften neben Darstellungen, die den Lesern ein erhebliches Maß an Konzentration abverlangen, sehr lebhaft formulierte, die Leser unmittelbar ansprechende Partien; und da Sie immer auch gern mit anderen zusammen publiziert haben, finden sich in Ihrem Schriftenverzeichnis zahlreiche kleinere und größere Arbeiten mit verschiedenen Koautoren und Koautorinnen.

 

Um einen vollständigeren Eindruck von dem Aktionsradius Ihrer Aktivitäten zu erhalten, muss man sich darüber hinaus vergegenwärtigen, dass Sie maßgeblicher Initiator oder Mitinitiator mehrerer Publikationsorgane waren, welche das Fach der germanistischen Sprachwissenschaft heute in einem wesentlichen Ausschnitt repräsentieren: Zu nennen sind zunächst das „Lexikon der Germanistischen Linguistik“, das Periodikum „Germanistische Linguistik“, die Buchreihe „Reihe Germanistische Linguistik“ sowie das zuletzt geschaffene Internationale Jahrbuch „Lexicographica“, dem die Buchreihe „Lexicographica, Series Maior“ angeschlossen ist. Wesentlich mehr Arbeitskraft ist wohl noch für die voluminöse Reihe der „Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft“ benötigt worden, die Sie seinerzeit zusammen mit dem damaligen Verlagsleiter des Verlages Walter de Gruyter ins Leben gerufen haben.

 

Ihre wissenschaftliche Tätigkeit ist nunmehr über Jahrzehnte geprägt von dem nie nachlassenden Bemühen, jeweilige Projekte ohne Verzug in Angriff zu nehmen und Ihren Vorstellungen entsprechend zu gestalten. Als bewundernswert wird immer wieder angesehen, mit welcher Energie Sie die mit Ihrer Dienststellung ohnehin verbundenen, aber auch alle darüber hinaus an Sie herangetragenen, sowie die ohne Notwendigkeit zusätzlich übernommenen Aufgaben angehen.

 

Doch außer Ihren vielfältigen Publikationstätigkeiten und den mit den Zeitschriften- und Buchreihen verbundenen Organisationsleistungen ist ihnen die gewissenhafte Wahrnehmung der Lehrtätigkeit immer ein besonders wichtiges Anliegen gewesen. Ihrer Auffassung nach wird die akademische Lehre ganz wesentlich durch eine glaubhaft vertretene eigene wissenschaftliche Tätigkeit positiv beeinflusst, weil gerade das Miterleben von Forschungstätigkeit den Studierenden bei deren Identitätsfindung hilfreich ist. Charakteristisch ist für Sie ist ein Lehrstil, der die Studierenden neben methodischer Arbeitsdisziplin zu kritischer Stellungnahme befähigt. Dazu bringen Sie neben Fachkompetenz auch didaktische Fähigkeiten und eine von Ihrer Persönlichkeit ausgehende Überzeugungskraft mit, so dass Studierende nicht nur fachlich eine gute Orientierung gewinnen, sondern sich auch emotional angesprochen fühlen können. Aufgrund der beachtlichen Vielseitigkeit Ihrer Kenntnisse und Erfahrungen, die sich nicht ausschließlich auf  Wissenschaft erstrecken und die im wissenschaftlichen Bereich auch weit über das von ihnen vertretene Fach der germanistischen Linguistik hinausreichen, haben Sie vielen mit Rat und Tat zur Seite stehen können. Studierenden sowie Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen haben Sie immer Spielraum für  Eigenverantwortlichkeit und die Verfolgung von Eigeninteressen gelassen; davon zeugen neben Examens- und Magisterarbeiten etliche der an Ihrem Lehrstuhl entstandenen Dissertationen und Habilitationsschriften, die thematisch nicht solchen Bereichen verpflichtet sind, mit denen Ihr Name in erster Linie verbunden wird.

 

Geschätzt wird an Ihnen, lieber Herr Wiegand, nicht nur die Gradlinigkeit, mit der Sie Ziele verfolgen, sondern vor allem auch Ihre absolute Verlässlichkeit im Umgang mit Studierenden, Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen sowie Kollegen und Kolleginnen, was die Einhaltung von Terminen sowie Zusagen und Absprachen angeht. Vor allem haben alle, welche in die von ihnen initiierten Arbeitsprozesse eingebunden waren,  stets davon ausgehen können, dass es Ihnen ausschließlich um die jeweils gerade anstehende Sache ging, und nicht um die Befriedigung persönlicher Eitelkeiten. Dabei hat Ihre Neigung, sich  allem Neuen zu öffnen und sich kritisch damit auseinanderzusetzen, auf viele Beteiligte motivierend gewirkt. Nicht nur, dass Sie aufgrund Ihrer umfangreichen Hausbibliothek immer wieder mit aktuellen Thesen und gerade erschienenen Publikationen überraschen -: Sie haben, wissensdurstig wie Sie nun einmal sind, sich auch mit der wissenschaftlichen Anwendung des Computers vertraut gemacht, nutzen privat und dienstlich das World Wide Web und lieben die elektronische Post, was von Angehörigen Ihrer Generation nicht unbedingt zu erwarten ist.

 

Über viele Jahre hinweg hat Ihr Leben etwa so ausgesehen: Heute mehrere Tage ausführliche Wahrnehmung von Lehr- und Prüfungsaufgaben in Heidelberg, gleich anschließend eine Sitzung zum Beispiel zur Handbuchreihe in Freiburg, sodann auf dem Wege zu einem Vortrag vielleicht in Sofia oder andernorts im Ausland, im Flugzeug oder zumindest im Hotelzimmer schon Vorbereitung auf nächste Pflichten, nach Rückkehr in Heidelberg die Teilnahme an einer dienstlichen Sitzung, zu Hause angekommen zahlreiche Telefonate und E-Mails zu verschiedenen parallel laufenden Projekten.

 

Aber zwischen allen beruflichen Aktivitäten haben Sie es auch immer wieder fertig gebracht, sich im Park Ihres Hauses zurückzuziehen, sich sogar ausführlichen Schreinerarbeiten zu widmen, gelegentlich auch dem Skilaufen, dem Reiten, Tennisspielen, und anderem mehr. Nicht von ungefähr fragt man sich deshalb manchmal, wann eigentlich all die umfangreichen, öfters annähernd Buchumfang erreichenden Aufsätze und Handbuchartikel entstanden sind, mit deren Lektüre kaum diejenigen nachkommen, welche Sie zu Ihrem engeren Umfeld zählen dürfen. - Die Antwort darauf ist ganz einfach: Sie ist zu suchen in Arbeitsdisziplin, verbunden mit Konzentrationsfähigkeit und besonders rascher Auffassungsgabe. Aber trotz des erheblichen Arbeitspensums, das Sie tagein tagaus bewältigen,  ist nicht bekannt, dass bei Ihnen jemals ein Anrufbeantworter angestellt war: Wer mit einem gravierenden Problem, sei es privater oder dienstlicher Natur, an Sie herangetreten ist, konnte noch immer zumindest mit einem ehrlichen und verbindlichen Rat rechnen.

 

 

Da sich bis heute nichts an Ihrer Haltung und Tatkraft verändert hat, fällt es nicht gerade leicht, aus bloßem Anlass eines runden Geburtstags im Wissenschaftlerleben innezuhalten und auf das bisher Geleistete zurückzublicken: Nach Professuren an den Universitäten Marburg und Düsseldorf  haben Sie seit 1977 an der Universität Heidelberg einen Lehrstuhl für germanistische Linguistik inne. Sie waren unter anderem zwölf Jahre Mitglied des Kuratoriums des Instituts für deutsche Sprache in Mannheim, sind nach wie vor Mitglied zahlreicher nationaler und internationaler Organisationen, waren Sprecher des Forschungsschwerpunktes Lexikographie an der Universität Heidelberg, und haben bei über 20 Wörterbuchprojekten im In- und Ausland eine offizielle Beratertätigkeit ausgeübt; 1998 ist ihnen von der Universität in Aarhus die Ehrendoktorwürde verliehen worden; die Aufzählung der Zielorte Ihrer Vortrags- und sonstigen Dienstreisen ergäbe ein beachtliches Register. Am nachhaltigsten haben Sie, lieber Herr Wiegand, das Forschungsfeld der Wörterbuchforschung theoretisch und terminologisch geprägt; hier ist seit etwa 1980 ein Theoriegebäude mit aufeinander bezogenen Theorieteilen entstanden, mit dem zugleich wichtige Grundlagen für die beim Übergang vom gedruckten zum digitalen Medium zu bewältigenden Aufgaben gelegt werden. Wo auch immer heute ein wissenschaftlich anspruchsvolles Wörterbuch konzipiert wird, dürften Ihre Argumentationen - in welcher Form auch immer - Berücksichtigung finden. Bemerkenswerter noch erscheint mir, dass nicht wenige Ihrer terminologischen Prägungen ohne das Wissen darum, dass sie von ihnen stammen, im selbstverständlichen Gebrauch sind.

 

Trotz zahlreicher beruflicher Belastungen sind Sie Ihrer Arbeitsweise immer treu geblieben: Nie haben Sie sich auf ein paar zufällig zur Kenntnis genommene und immer wieder rezipierte Schriften gestützt; vielmehr unterziehen Sie sich stets der Mühe, jedes Detail (auch wenn es gar von ihnen selbst früher längst behandelt worden ist) nach ausführlichen bibliographischen Vorarbeiten anhand aller verfügbarer Arbeiten aufs Genaueste im Wortlaut zu überprüfen - und seien die vertretenen Auffassungen Ihren eigenen noch so entgegengesetzt. Zusammen mit dem, was sich in Ihren Arbeiten ggf. sodann anschließt, nämlich die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen, versehen mit Übersichten und oft ausführlichen Strukturdarstellungen (jedenfalls in Arbeiten zur Wörterbuchforschung), kann man von einem typisch Wiegand’schen Stil des Zugriffs auf theoretische Probleme sprechen. Dieser Stil ist einer der Sprachkritik: Hier wird ernst genommen, dass Wissen nur über Texte vermittelt ist, und dass es dabei auf den Wortlaut, auf die Präzision der Sprache im Detail ankommt. Wo Aspekten der eigenen Auffassung mit Argumenten widersprochen wird und Präzisierungsvorschläge gemacht werden, lassen Sie sich gern zur Revision der eigenen Theorie bewegen; diesbezüglich nehmen Sie nicht nur Arbeiten von Kolleginnen und Kollegen, sondern auch Examens- und Magisterarbeiten sehr ernst. Und Sie selbst haben - mit ausführlichen Begründungen versehen - nicht nur die von ihnen in den 70er Jahren vertretenen bedeutungstheoretischen Auffassungen überwunden und zu einem neuen handlungs- und texttheoretisch begründeten Konzept weiterentwickelt, sondern auch verschiedene Ihrer metalexikographischen Differenzierungen später auf der Basis neuer Einsichten modifiziert. Ihre Theorie ist im kontinuierlichen Bemühen, die Wörterbuchforschung und damit im Zusammenhang stehende Sprachfragen weiterzuentwickeln, über Jahrzehnte hinweg gewachsen. Dabei war es weder jemals Ihre Sache, vorschnell neue Moden - zum Beispiel im Bereich von Bedeutungstheorie und Textlinguistik - aufzunehmen, noch aus Prinzip gegen den Strom zu schwimmen. Immer sind Sie vielmehr darum bemüht gewesen, kreative Einsichten jeder Art gewissenhaft zu prüfen, aber auch an bewährte Zugriffsweisen und Terminologien anzuschließen, wo ihnen dies geboten erschien.

 

Nicht außer Acht lassen möchte ich  - und auch weil mir das von Studierenden  früher schon in Leipzig und Siegen, sowie jetzt in Paderborn immer wieder zugetragen wird, erwähne ich das heute hier - auf jene Seite Ihrer Darstellungsweise hinzuweisen, die darin besteht, dass Ihre Schriften zwar den nötigen „Biss“ aufweisen, sie gleichwohl aber nicht „verbissen“ wirken. Denn bei dem Bemühen, die jeweils behandelten theoretischen Probleme auf den Begriff zu bringen, weisen Ihre Arbeiten eine nicht geringe Zahl amüsanter und dadurch einprägsamer Passagen und Beispiele auf, welche die Leser Ihrer Schriften auch emotional stark anzusprechen vermögen. Denn Sie haben sich nicht damit begnügt, nur ein Theoriegebäude zu erstellen, Forschungsgebiete auszuweisen und eine Vielzahl terminologischer Neuerungen hervorzubringen; vielmehr haben Sie sich (in all der Ihnen zuzuschreibenden Bescheidenheit) sogar mehrmals - darin möglicherweise unbewusst bekannten Fällen aus der Literatur folgend - darangemacht, künstliche Wesen zu schaffen, insbesondere lexikographische Wesen, wie „Leo“, „Oskar“, und andere. Wer auch nur mit einem Teil Ihrer Arbeiten vertraut ist, wird diese Wesen an verschiedenen Stellen wiedererkennen, wie sie mit Wörterbüchern hantieren, und wird sich über deren Identität Gedanken machen. Und obwohl Sie sich an manchen Stellen explizit dazu bekannt haben, dass es Ihre ureigensten Geschöpfe sind, werden sich manche doch fragen, ob man diese tatsächlich bloß als reine Kreationen auffassen soll, oder ob sie uns nicht vielleicht auch schon im alltäglichen Leben begegnet sind. - Es kann vorausgesagt werden, dass irgendwann vielleicht sogar Dissertationen über die Existenzweise und die Lebensgewohnheiten der von Ihnen geschaffenen, „benutzungsfreudigen“ Wesen verfasst werden. Für  d e n  Fall aber ist - leider - mit Sicherheit anzunehmen, dass derartiges Ihnen, lieber Herr Wiegand, als Autor denn doch der Ehre zu viel wäre, und dass Sie solche Einlassungen einer Klasse „n“ (mit „n größer 1“) von Missverständnissen, Ihre Arbeit betreffend, zurechnen würden. Auch könnten Sie gewiss - selbstverständlich unter Hinzuziehung einer Fülle von Literaturangaben - den Hinweis darauf nicht unterlassen, dass hier - relativ zur Textsorte eines bestimmten Typs - ein klassischer Fall verfehlter Datenauswahlhandlungen bzw. Handlungsfehler vorliege, - überhaupt eine bedenkliche „nicht-usuelle“ Benutzung entsprechender Textinstanzen hervortrete, wo doch entsprechende Kreationen gemäß den ihnen aus Autorsicht zugewiesenen genuinen Zwecken ganz anders perspektiviert gewesen seien, und so weiter, und so weiter.

 

Mit diesen Bemerkungen wird nur einem etwas marginalen Ausschnitt möglicher künftiger Beschäftigung mit Ihren Arbeiten vorgegriffen. Hier und heute denken wir an die anderen - sachbezogenen - Seiten Ihrer Lebensleistung, die wir zu würdigen haben. Und in dem Zusammenhang ist es erfreulich zu sehen, dass Ihre Schriften durch Übertragung ins Englische mittlerweile auch dort stärker rezipiert werden, wo dies Sprachbarrieren früher erschwert haben. Denn gelernt haben ja weltweit viele von Ihnen, ohne dass Sie selbst aufdringlich als Lehrmeister aufgetreten sind. Sicherlich werden nicht wenige Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in Zukunft die nötigen Schlüsse aus Ihren Arbeiten ziehen, manche gar die von Ihnen initiierten Überlegungen in denjenigen Forschungsfeldern, die zentral mit Ihrem Namen verbunden werden und die Sie wesentlich wissenschaftlich befördert haben, in zahlreichen Details weiterführen können. Dass eine solche Entwicklung ganz in Ihrem Sinne ist, dass Sie eine solche Weiterentwicklung auch sehr wünschen, ist mir bewusst.  

 

Seit Beginn Ihrer Laufbahn als Wissenschaftler haben Sie, lieber Herr Wiegand, gleichmäßigen beruflichen Einsatz gezeigt und in Ihrer wissenschaftlichen Produktivität nicht nachgelassen. Wenn man die gegenwärtig anlaufenden Projekte betrachtet, etwa das „Wörterbuch zur Lexikographie und Wörterbuchforschung“ (WLWF), ist es fast unvorstellbar, dass sich daran in den nächsten Jahren etwas ändern könnte. Zu wünschen ist, es möge Ihnen bei weiterhin guter Gesundheit gelingen, all das in gewohnter Weise auszuführen, was Sie sich für die Zukunft vorgenommen haben.        

---------------------------------------------------------------------------------------

Bericht Klassentreffen

 

Werner Wolski

 

(in Marburg am Gymnasium Philippinum 2011)

 

Zwar nicht mehr ganz so jung, jedoch fit und gesund, trafen wir uns nach fünf Jahren wieder: die Abiturienten des Jahrgangs 1966, hier der Klasse OIe2. Auch diesmal hatte es Wilfried Franz dankenswerterweise übernommen, für das Klassentreffen per Rundschreiben einen annehmbaren Termin (14. bis 16. Oktober 2011) zu finden und das Programm perfekt zu planen. Einige von uns konnten bereits den Termin des gemütlichen Beisammenseins im Weinlädele (Schlosstreppe 1) am Freitag, 14.11., um 19:00 wahrnehmen; andere fanden sich aufgrund der Anreise von außerhalb erst zu dem zentralen Treffen am 15.10. um 11:00 Uhr vor dem Gymnasium Philippinum ein: Wilfried Franz mit seiner Frau Monika, Werner Wolski mit seiner Frau Cornelia, sowie Friedhelm Rödiger, Roland Erbacher und Jörg Wacker. Dies war zunächst also sozusagen eine Kleingruppe. Joachim Jäschke und Georg Gremels konnten wir erst abends begrüßen, als wir schon in der „Sonne“ waren. Leider war es einigen unserer ehemaligen Klassenkameraden aufgrund beruflicher Verpflichtungen oder aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich, an dem Klassentreffen teilzunehmen, nämlich: Michael Wendt Gottfried Elsas, Volker Hetsch, und H.C. Surkau. Eine große Freude war es allen Anwesenden, unseren hochgeschätzten früheren Lehrer, Christian Engelhard, begrüßen zu können, der seinerzeit Junglehrer war und der an seinem dynamischen, freundlichen und humorvollen Wesen nach all den Jahren nichts eingebüßt hat. Begrüßt wurden wir von dem gegenwärtigen Direktor des Gymnasiums, Herrn Wolf-Dieter Stein, den wir als ebenso sympathischen Repräsentanten unserer früheren Schule erstmals kennenlernen durften.

 

Das Wetter meinte es gut mit uns: So konnte Herr Engelhard draußen vor dem Eingang aus eigener Anschauung von zahlreichen, äußerst interessanten und auch problematischen Details rund um die Planungsphase für den Neubau des Gymnasiums berichten, die man wahrscheinlich nirgends nachlesen kann. Im Vorraum machte sodann Herr Stein Ausführungen zur Konzeption der Schule, wozu zahlreiche Rückfragen kamen. Unter anderem wurde angesprochen, dass am Gymnasium Philippinum an der Unterrichtung von Latein (ab der 5. Klasse) festgehalten wird, wofür gute Gründe geltend gemacht werden können. Wir hatten seinerzeit ab der Quarta (der Ausdruck ist zumindest in Deutschland nicht mehr üblich) außerdem noch Altgriechisch bis zum Abitur. Ansonsten wurde uns allen zutiefst bewusst und ad oculos/vor Augen geführt, wie grundlegend sich die gesellschaftspolitischen Verhältnisse auch im schulischen Bereich gewandelt haben. Eine erhebliche Distanz ist im Vergleich zu unseren früheren Gegebenheiten insbesondere wahrnehmbar nicht nur im Umgang mit Schülern/Schülerinnen generell, sondern auch in zahlreichen Bemühungen, ihren Bedürfnissen zu entsprechen, was seinen Ausdruck unter anderem darin findet, dass für unterschiedliche Zwecke geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Dazu ist unter anderem in überzeugender Weise von dem Schulleiter, Herrn Stein, festgestellt worden: Neben dem Lernen gewährleistet man im Gymnasium Philippinum, dass sich die Schüler und Schülerinnen hier nicht nur sicher fühlen, sondern auch wohlfühlen können. Wir als Ehemalige begrüßen diesen ganz zentralen pädagogischen Aspekt; und wir konnten uns an Ort und Stelle davon überzeugen, in wie vielfältiger Weise er verwirklicht worden ist.

 

Wie nicht anders zu erwarten, sind im Rahmen der Vorstellung unserer Schule durch den Schulleiter auch anekdotische Einlagen zu Lehrerfiguren damaliger Zeiten nicht zu kurz gekommen. Aber die Erwähnung früherer skuriller (heutzutage kaum vorstellbarer) Lehrer-Persönlichkeiten machte einmal mehr klar, in welcher zeitlichen Distanz wir uns befinden. Denn mehr als erinnerndes Gelächter und ungläubiges Staunen über derartige Absonderlichkeiten ist dem heutzutage nicht abzugewinnen.

 

Interessant war zu sehen, wie schön restauriert und dekoriert ein Stein aus der Turnhalle des alten Gymnasiums an der Wand zum Treppenaufgang  präsentiert wird. Daneben befindet sich auch ein Stein der alten Hausnummer „185“. Im Innenhof (der Pausenhof) mit den massiven Tischtennis-Platten machte der Direktor unter anderem einige Erläuterungen auch zu den Funktionen der umliegenden Räumlichkeiten. Anschließend ging es in die vorteilhaft  gestaltete Cafeteria, mit Blick auf den wunderschön bepflanzten Außenraum. Auch die Vitrinen mit alten Büchern konnten wir im Flur bewundern. Überhaupt ist die ansprechende Gestaltung sämtlicher Räume, zu denen wir Zugang hatten, beeindruckend, so z.B. die kreative bildliche Gestaltung der Wandflächen. Auch die allenthalben gegebene Sauberkeit ist von uns als erstaunlich vermerkt worden. Zu dem Aufenthaltsraum, in den wir anschließend gelangten, konnte Herr Engelhard interessante Ausführungen zu dessen Umgestaltung seit den früheren Zeiten machen. Des Weiteren kamen wir bei unserem Rundgang auch in die Bibliothek sowie in den Oberstufenraum, in dem selbständige Arbeit an mehreren PC-Arbeitsplätzen ermöglicht wird. Erstaunt waren wir über das Vorhandensein eines Raums zum sog. „Chillen“, wofür frühere Deutschlehrer (vor anglizistisch bzw. denglisch geprägten Zeiten) noch die Ausdrücke „Erholungsraum“ oder „Entspannungsraum“ bevorzugt hätten. Zum Abschluss des Rundgangs wurden wir vor den großen Aushängen zur Unterrichtseinteilung in den verschiedenen Räumlichkeiten von dem Direktor des Gymnasiums verabschiedet, dem wir für seine instruktiven Ausführungen herzlich danken.

 

Anschließend waren wir zum Mittagessen im „Bückingsgarten“. Dort wurden wir von dem überaus freundlichen und zuvorkommenden Personal bedient und erfreuten uns an dem erstklassigen Niveau des präsentierten Essens. Die gute Atmosphäre inspirierte unter anderem zu Gesprächen aus unserer schulischen Vergangenheit. Hierbei stellte unser geschätzter Lehrer, Herr Engelhard, einmal mehr sein erstaunliches Erinnerungsvermögen unter Beweis, indem er mit verschiedenen Anekdoten aufwartete, die uns in Einzelheiten nicht mehr bekannt waren. 

 

Zum Abendessen um 19:00 trafen wir uns sodann in der „Zirbelstube“ in der in Marburg nicht minder bekannten „Sonne“, obwohl die Bedingungen hier (abgesehen von dem gemütlichen Raum) mit denen des „Bückingsgartens“ nicht vergleichbar sind. Dort traf dann Joachim Jeschke etwas später ein, sowie auch Georg Gremels. An Gesprächstoff mangelte es nicht, zumal sich einige der Anwesenden lange Zeit nicht gesehen hatten. Wilfried Franz übernahm es, an die verstorbenen Schulkameraden (es gab damals keine Schulkameradinnen) Klaus Lammeyer und Gerhard Stey zu erinnern, die bereits vor vielen Jahren verstorben sind. Werner Wolski unterhielt zwischenzeitlich dadurch, dass er auf seinem Flügelhorn einige Ständchen spielte. In gemütlicher Atmosphäre verbrachten wir die Stunden des Zusammenseins - bis das Lokal schloss.

 

Der Sonntag war dafür vorgesehen, sich mit jeweiligen Schulkameraden (oder allein)  die Stadt  anzusehen, oder sonst etwas zu unternehmen. Denn immerhin wohnen ja einige der Teilnehmer an dem Klassentreffen weit weg von Marburg, waren also nicht oft dort. Nun können wir gespannt sein, wie sich das nächste Klassentreffen gestalten wird. Denn bis dahin vergehen weitere fünf Jahre. Wer wird anwesend sein? Wer wird Interesse daran haben bzw. dazu in der Lage sein? Wir hoffen jedenfalls, dass alle gesund bleiben und unser Wilfried Franz bereit ist, auch dann wieder die organisatorische Leitung zu übernehmen.

--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

 

 

Klassentreffen: Schnee von gestern. Gedanken und interne Bemerkungen.

 

Zweiter Bericht bzw. eine polemische Erzählung zum Klassentreffen 2011 in Marburg

 

(Gymnasium Philippinum)

 

Werner Wolski

 

Man weiß das ja: Klassentreffen können problematisch sein, gegebenenfalls sogar dramatisch. Aber sie können auch ganz unspektakulär und banal verlaufen, und damit eigentlich unbedeutend sein. Die letztere Version ist eigentlich die positive: Denn das Unspektakuläre ist das Gesunde. Und von dieser letztgenannten Art war bereits unser Zusammentreffen vor fünf Jahren: In unserem Kreis gibt es keine Beziehungsprobleme. Jeder hat es irgendwo und auf welchen Wegen oder Umwegen irgendwie zu etwas gebracht. Bei uns geht es nicht darum, sich gegenseitig vorzurechnen, welch toller Hecht man sei, wie gut es einem gehe etc. Da gibt es kein Prahlen und Protzen, mit was auch immer. Das gab es schon früher nicht. Und es geht auch nicht um die Aufarbeitung früherer Animositäten oder Konflikte: So gab es schon vor fünf Jahren nichts, was irgendwie für eine Miss-Stimmung oder Spannung hätte sorgen können.

 

Zu dieser Normalität gehört aber auch, dass nach dem Treffen sozusagen „Sendepause“ ist: Da kommt nicht mal eine Antwort oder ein Feedback, wenn man (in diesem Falle ich) Film und bearbeitete Fotos samt witziger Montagen verschickt hat. Man weiß nicht, ob die Sendung angekommen ist, wo man doch gern wissen möchte, ob die Post vielleicht versagt hat: Es ist einfach Schweigen. Halt: Da muss ich zwei Ausnahmen machen. Georg, der diesmal dabei war, hat sofort geantwortet. Er war nicht zu Hause, hat meine Lieferung aber erhalten, wie er schrieb. Und Wilfried mit seiner Moni hat sogar vom Urlaub aus geschrieben, dass alles gut angekommen ist. Aber die anderen? - Cornelia, die überragende Menschenkennerin, hat mir gleich gesagt, dass ich von den meisten der Kollegen nach dem Treffen nichts mehr hören würde. Ich hatte das zuerst in Zweifel gezogen, aber es stimmt. Das macht aber auch nichts. Es ist ja immerhin alles gut abgelaufen: Mit Ohlwein (Zeitschrift Chronika) ging das flott, auch per Telefon: Auswahl der Fotos und der Bericht wurden geliefert, und der Eingang bestätigt.

 

Zur Atmosphäre des Klassentreffens ließen sich viele Anmerkungen machen. Hierzu nur Folgendes: Dass somit einerseits gleichsam nicht zu viel Salz in der Suppe ist, sollte man zunächst für ganz positiv halten. Aber andererseits heißt das auch wieder, dass die Suppe, um im Bilde zu bleiben, recht lasch ist: Denn man hat sich eigentlich nichts zu sagen. Das gilt jedenfalls für die meisten von uns, die zwischenzeitlich überhaupt keinen Kontakt untereinander haben: Man kommt dann halt zusammen; man trifft sich eben, weil man das für anständig hält bzw. sich nicht ausschließen will. Vielleicht ist man ja auch ein wenig neugierig auf die anderen. Aber viel mehr ist da nicht. Und mehr kann da auch nicht sein. Soll man wieder die alten Geschichten von dem homosexuellen Latein- und Griechisch-Lehrer aufwärmen, wie ich das gemacht habe? Oder kommt wieder jener Englisch-Lehrer auf den Tisch, der unsere Klasse meist mit den Bemerkungen betrat, er sei der schönste Mann Marburgs? Daran und an ähnliche Vorkommnisse ist doch schon vor fünf Jahren erinnert worden. Etwas Neues gibt es nicht.    

 

Wilfried hat sich – wie vor dem früheren Treffen – wieder die größte Mühe gegeben, einen geeigneten Termin ausfindig zu machen. Das muss man wirklich anerkennen. Er schrieb Mails hin und her. Aber nicht jeder antwortete rasch. Er verschickte Rundmails, teilte neue Adressen der Beteiligten mit, etc. Einige antworteten überhaupt nicht. Und das kann man nur als „unverschämt“ bezeichnen. Dabei sind wir sowieso mit potenziell nur 11 Personen ein kleiner Kreis. Wir waren 1966 beim Abitur 13 Schüler. Irgendwann später sind dann Klaus Lammeyer und Stey leider gestorben. Mit dem Lammeyer konnte ich, wie ich mich erinnere, sehr gut. Der war wohl katholisch und hat den evangelischen Friedhelm Roediger (mit Spitznamen „Pöta“, da er mal bei lat. „Poeta“ das „o“ und „e“ nicht mit Glottalstopp ausgesprochen hat) öfters im Scherz als „Ketzer“ bezeichnet. Mädchen waren von dem homosexuellen Latein- und Griechischlehrer (= Wiemer in seiner Funktion als Klassenlehrer) schon früh in der Mittelstufe herausgeekelt worden. Die gingen dann wohl in die Gesamtschule nach Kirchhain und machten dort Abitur. Er hatte ausschließlich, darin ganz der griechischen und (etwas gelinder in dieser Ausrichtung) der römischen Pervers-Tradition folgend, eine Vorliebe für Knaben. Diese traktierte er bei den öfters angesetzten Klassenfahrten mit Wanderungen – heute in dieser Form längst überhaupt nicht mehr durchführbar - stets, kurze Hosen anziehen zu sollen. Da plagte er einen furchtbar. Dann hat er sich bei Brüstungen von Geländern oder Burgmauern immer mit seinem Hintern auf die Knäblein draufgehängt. Ich habe diese Geschichten tausendmal erzählt, auch dass ich mich gegen kurze Hosen ständig gewehrt, aber irgendwann (nur, damit Ruhe ist) diese dann ebenfalls angezogen habe.

 

In dem Zusammenhang zitiere ich gern den von mir geprägten Spruch: „Nicht jeder gute Päderast ist auch ein guter Pädagoge“. Wiemer vereinigte in vollem Umfang beide Qualifikationen, die bei ihm somit gleichsam „Hand“ (hier genauer: schwulen Hand) „in Hand“ gingen. Ich dachte immer, dass er keinen Jungen begrapscht und keine homosexuellen Handlungen vorgenommen, sondern nur gesoffen und Tabletten geschluckt habe, um diese perverse Neigung zu unterdrücken. Das scheint aber nicht der Wirklichkeit zu entsprechen. Bestätigt worden ist das von Wilfried, als wir uns später im Innenraum der Schule zu einem Gespräch zusammengesetzt hatten. Der Wiemer wollte auch Wilfried vernaschen, wozu er ihn in seine Wohnung eingeladen hat: Dort stand ein Lotterbett für seine homosexuellen Aktivitäten, wie Wilfried sinngemäß mitteilte. Mir ist nur (wie auch von Engelhard bestätigt) bekannt, dass er - obwohl Latein- und Griechischlehrer - regelmäßig nach dem Sportunterricht im Duschraum auftauchte, um uns den Gebrauch der Seife zu erklären, wozu er bei einigen von uns selbst sozusagen „Hand anlegte“.

 

Man weiß ja nicht (und hat sich nicht darum gekümmert), was es sonst noch alles gegeben haben mag an Abartigkeiten an unserer früheren Schule. Das wurde wahrscheinlich – wie in anderen Lehranstalten, und zwar nicht nur jener, sondern jeder anderen späteren Zeit ebenfalls – unter den Tisch gekehrt! Der Schulleiter war seinerzeit Herr Luther, gleichzeitig oder nachher auch Vorsitzender des Prüfungsamtes an der Universität Marburg. Der war ein total weltfremder Altphilologe. Bei ihm habe ich seinerzeit in den ersten Jahren am Philippinum Hebräisch gemacht - als ich noch glaubte, Priester werden zu müssen, welche frühkindliche Neigung sich später gegeben hat (und zuerst ins Gegenteil des Atheismus umgeschlagen, später in verständnisvolle Indifferenz für menschliche Schwächen übergegangen ist, in welcher Form diese Einstellung eigentlich bis heute noch bei mir Bestand hat mit dem Fazit, dass jede gläubige Person – abgesehen von Nazis oder Islamisten, denn Toleranz ist mir ein Unwort (siehe Kolakowski „Das Lob der Intoleranz“) – nur nach ihrem Handeln beurteilt wird und völlig akzeptiert werden kann). Ich war seinerzeit Fahrschüler; ich wohnte in Stadtallendorf. Um vor dem regulären Unterricht noch den zum Hebräischen machen zu können, bin ich bereits um 6:30 Uhr aufgestanden, um dann gegen 7:00 Uhr mit dem Bummelzug nach Marburg zu fahren. Ich weiß schon gar nicht mehr, wie viele Jahre ich das auf mich genommen habe.  

 

Über Derartiges denkt man im Vorfeld des erneuten Klassentreffens dann kurz nach: Aber das ist alles sozusagen „Schnee von gestern“. Wir waren 1966, wie gesagt, 13 Abiturienten in unserer Klasse: Nach dem zwischenzeitlichen Tode zweier Schulkollegen „waren’s“ – so könnte man sagen – später „nur noch elf“. Und von diesen elf potenziellen Teilnehmern am erneuten Klassentreffen haben einige abgesagt: Volker Hetsch, der schon vor fünf Jahren nicht dabei war, ist bedauerlicherweise offenbar immer noch psychisch krank. Michael Wendt war vor fünf Jahren dabei. Jetzt konnte er nicht kommen, da er als Mediziner einen Kongress leiten musste, wofür alle Verständnis aufgebracht haben. Es ist immerhin der letzte Kongress vor seiner Pensionierung. Elsas ist wohl (wie Wilfried später mitgeteilt hat) mit seiner Frau in Urlaub gefahren. Es war aber längere Zeit offen, ob er nicht doch noch würde kommen können; offenbar musste er aufgrund seiner vielfältigen Auftritte Prioritäten setzen. Beim letzten Treffen war er anwesend. Surkau hat sich überhaupt nicht gemeldet. Was der macht, weiß man nicht. Auch vor fünf Jahren ist er nicht gekommen. Er legt offenbar keinen Wert auf einen Kontakt – aus welchen Gründen auch immer. „Da waren es“ – so sei die Berechnung hier fortgesetzt – „nur noch sieben“! Und von diesen sieben Ehemaligen hatten Joachim Jäschke und Georg Gremels bereits in Mails angekündigt, dass sie etwas später kommen würden. Georg war vor fünf Jahren nicht dabei. Umso erfreulicher ist anzusehen, dass er es diesmal geschafft hat, zu uns zu stoßen. Er hat, wie auch Jäschke, nach dem Treffen ausführlich mit mir Kontakt gehabt, auch Fotos geschickt.

 

Am Vorabend des zentralen Treffens, nämlich am Abend des Freitag, trafen sich einige von uns bereits in einer Kneipe. Dazu kann ich mich nicht äußern, da ich nichts über den Verlauf erfahren habe. Als ich mit Cornelia zu dem zentralen Treffen am Samstag (15.10.11, 11:00 Uhr) vor der Schule ankam, trafen wir somit auf eine kleine Gruppe, sozusagen eine Rumpfgruppe: Wilfried Franz mit Monika, Roland Erbacher, Jörg Wacker, sowie Friedhelm Roediger. Letzterer kam – anders als vor fünf Jahren – ohne seine Frau, da diese Probleme mit den Knien hat. Es gab nette Begrüßungen mit Umarmungen: Skeptische Blicke, ob der eine oder andere zwischenzeitlich sein Äußeres (natürlich wird erwartet: negativ) verändert hat, waren umsonst: Denn da war, was das Aussehen angeht, kein Unterschied zu dem Treffen vor fünf Jahren zu erkennen. In besonders erfreulicher Weise war das auch bei unserem früheren Klassenlehrer, Christian Engelhard, nicht der Fall: Der ist freundlich und lebendig, wie er immer war. Ich dachte einen Moment lang daran, was das seinerzeit für uns bedeutet haben mag, einen derart vernünftigen, modernen, netten und engagierten Junglehrer erhalten zu haben: Der ganze Mief der alten Säcke mit ihren blödsinnigen Marotten und Abartigkeiten in unserer früheren Schule wurde durch seine Erscheinung ganz wesentlich weggeweht bzw. zumindest einigermaßen übertüncht; denn das personelle Elend mit gewissen überkommenen Lehrertypen war ja trotzdem noch da.

 

Natürlich gab es unter den alten Lehrern auch nette und vernünftige Personen. Ich muss da immer an den guten Schwab denken, den wir in Mathe hatten. Im Unterschied zu anderen Stimmen (verlautet beim letzten Treffen vor fünf Jahren) beurteile ich ihn auch heute noch als positive Erscheinung: „Ich haue euch ungespitzt in den Erdboden“, sagte er, wenn er jemand beim Spicken erwischte – mich beispielsweise. Aber das hat ihm niemand krummgenommen, weil die Beziehung stimmte und man wusste, dass er fair war und es gut mit einem meinte. Mit derartigen Sprüchen wäre er heute sofort diskreditiert worden, da bei jedem Schüler und bei jeder Schülerin gleich der Rechtsanwalt daneben sitzt! Aber man hat – jedenfalls ging es mir so – erstmals etwas von Mathematik verstanden. Der Plaas hingegen war ja eigentlich verrückt. Aber ich meine, ihn für einen ehrenwerten Mann halten zu müssen: Wie konnte der auch Mathematik, Physik, und gleichzeitig auch Religion unterrichten, was ja nun wirklich nicht zueinander passt? Der hat da immer etwas an der Tafel herumgezaubert (z.B. in Physik) und sich überhaupt nicht drum gekümmert, ob das jemand versteht. Wenn dann so ein Primus in Mathematik oder Physik sich gemeldet und angemerkt hat, das sei doch alles klar und man wüsste das doch, hatten die anderen mit ihren Fragen nie eine Chance. Auch an andere Gestalten erinnere ich mich bei dieser Gelegenheit: an prima Leute wie Bähr, Krüger (Sport), Will (Musik), Peter (Kunst), Krüger (den ich nicht mochte, weil der beim Sport unangenehm war), den Matthes (mal zwischendurch in Latein), und natürlich auch diese Sekretärin Hopf (eine nette alte Jungfer). Der Peter hat uns die Kunst (Impressionismus, Expressionismus etc.) in außerordentlicher Weise vorteilhaft per Dias vermittelt. Ich habe damals – da mir das alles fremd war – ständig die Gemälde skizziert. Die Skizzen befinden sich sogar heute noch in meinem Archiv.

 

Und der Will hat sich immer sehr viel Mühe gegeben mit dem Orchester. Da habe ich Trompete gespielt. Und ich erinnere mich immer noch, wie das schmale Büblein Elsas (der spätere Pianist) im Rahmen von Proben immer wieder bei dem D-Dur-Konzert von Haydn eingesetzt hat mit dem Klavier, wenn Will etwas zu bemängeln hatte. Das Stück kenne ich heute noch auswendig, obwohl ich kaum je bis heute eine Platte oder CD davon gehört habe. Bei dem Will durfte ich wegen meiner tiefen und schrägen Stimme nie singen. Da sagte er immer: „Werner, nimm lieber deine Trompete, und spiel“. Ich hatte ja kein hochwertiges Instrument, sondern nur eine Trompete, die ich mir aufgrund von Arbeiten am Bau und in einer Fabrik (in den Ferien) leisten konnte. Da hat er immer hin- und hergezogen an den Gängen, bis der Ton einigermaßen vernünftig war. Außerdem hatte ich mir alles – im Anschluss an gewisse Grundkenntnisse aus dem Posaunenchor – nur selbst angeeignet. Das war eben kindlicher und jugendlicher Fanatismus. Später – in den 90er Jahre – konnte ich nach ausführlichem Unterricht und dem Kauf eines viel besseren Instruments alles absolut locker und auf hohem Niveau spielen, was früher bloße Quälerei war. Noch etwas zu Will: Seine Unterrichtung in der Notenlehre hat wirklich viel gebracht. Bis heute – nach entsprechender Weiterbildung auf dem Gebiet – ist mir das im Gedächtnis geblieben. Vorhanden sind natürlich auch noch die alten Aufzeichnungen.  

 

Ansonsten kann ich mich an wenige Lehrer genauer erinnern: Der Charlotte Oberfeld – der Märchentante – bin ich später an der Universität Marburg sogar als Beisitzerin im Fach Linguistik noch begegnet. Die hatte ich auch während des Studiums öfters besucht und mit Sonderdrucken (ich habe früh publiziert) bedacht. Später nach der Promotion war ich in Heidelberg Assistent, dann gleich als Hochschulassistent mit der Habilitation befasst. Da begegnete ich einem Ehemaligen der Schule, nämlich diesen Henkel, der äußerst arrogant war und nur mit Leuten überhaupt sprach, die ihn mit „Professor Doktor Henkel“ anredeten. So etwas wäre heute undenkbar! Das war ja eigentlich total idiotisch. - Mit dem hatte auch einzig ich von allen Kollegen/Kolleginnen an der Uni Heidelberg einen sehr guten Kontakt, der anlässlich eines Betriebsausflugs zustande gekommen war! Zuvor hatte ich mich als Neuling in Heidelberg bei ihm vorgestellt, was ihm sehr gefiel– wahrscheinlich habe ich „Professor Doktor“ gesagt, wie mir von anderen nahegelegt worden war! - Und als während des Ausflugs irgendwie die Sprache auf den schulischen Werdegang (Herkunft etc.) kam, da hatten wir Gesprächsstoff genug: Er erklärte, er sei Ehemaliger des Philippinums, was ich ja nicht wissen konnte. Und als wir dann noch sehr viel Gesprächsstoff rund um Goethes Faust hatten (meine „Bibel“; und er galt ja da als Experte), haben wir uns öfter intensiv darüber unterhalten, Sonderdrucke ausgetauscht etc. Das war ein nahezu freundschaftlicher Kontakt. Mit anderen hatte er – meines Wissens – an der Uni Heidelberg weniger Kontakt.

 

Ich will hier – auch weil sie mir im Moment nicht in den Sinn kommen, denn man vergisst das ja irgendwann – nicht alle möglichen Anekdoten erwähnen. Aber eine Anekdote muss noch sein: Die Sache mit dem Krüger. Ich wohnte in Marburg in der Ockershäuser Allee, und Krüger – den ich im Sport hatte – nicht weit entfernt ebenfalls dort. Da kam es irgendwann zu einem Kontakt. Ich war ihm ja als Flasche aus dem Sport sehr in Erinnerung geblieben, aber auch aufgrund meiner extremen Bemühungen um eine Verbesserung der Lage durch hartes Training. Zuerst hatten wir einen Besuch meinerseits zu seinem Geburtstag ausgemacht. Ich wollte ihm ein Ständchen auf meiner Trompete spielen. Meine damalige Partnerin rief aus diesem Anlass bei ihm an, dass ich bald kommen werde. Was sie sagte, ist mir gut in Erinnerung: „Gleich kommt der Werner. Er will ihnen einen blasen!“ – Das hat sie mir anschließend erzählt, aber der hat bestimmt nicht mitbekommen, wie lächerlich das war. Irgendwann hatte er den Wunsch geäußert, einmal mit mir nach Leipzig fahren zu wollen, wo ich seit 1991 – gleich nach der Wende – tätig war. Das war eine äußerst abenteuerliche Zeit. Ich kann das hier nicht darstellen, ohne in Einzelheiten zu gehen. Ich kannte da wenig. Und ich wusste nicht, in welchem Hotel ich den guten Krüger unterbringen konnte. Auch wollte er es – in aller Bescheidenheit – sehr günstig haben. Da hatte ich etwas bei einem Verkehrsverein in der Innenstadt arrangiert. Doch als ich ihn – vor der Rückfahrt nach Marburg – am nächsten Tag abholte, hatten wir unheimlich viel Spaß: Denn er erzählte, dass er die halbe Nacht nicht geschlafen habe, dass nachts ständig Gerenne, lautes Stöhnen, wilde Schreie zu hören gewesen seien, etc. Das Problem war: Ich hatte ihn in einem Haus untergebracht, das sonst auf allen Etagen als Puff belegt war! – Wir hatten die ganze Rückfahrt gelacht. Und er hatte viele Anekdoten auch von der Schule in Erinnerung. 

 

Unseren guten Engelhard sehe ich noch heute seine Welle am Reck schlagen, und was der uns sonst an Geräten vorgemacht hat. Der war stets im Verhalten ein Sportsmann im besten Sinne des Wortes. Wenn man ihn auf der Straße traf, war er genau so freundlich wie in der Schule. Ich habe ihn nach Jahren einmal mit seiner Frau – die eine nette und schöne Person war, wie ich mich erinnere – in der Oberstadt in Marburg getroffen. Da haben wir wunderbar geplaudert. Positiv denke ich auch an Wittmann, diese – seinem Haarschnitt nach zu urteilen - Cäsar-Imitation, der uns in Deutsch unheimlich viel, auch in äußerst extremen Bereichen (insbesondere aus der Lyrik), nahegebracht hat. Der hat es sogar mit Wilhelm Lehmann und Paul Celan (die heute bestimmt kaum noch jemand kennt, höchstens Paul Celan dem Namen nach) versucht, was im Rückblick als außerordentlich verwunderlich anzusehen ist. Heute, im Zeitalter des Analphabetismus, dürfte eine derartige Vermittlung entlegener Bereiche der Literatur selbst im Philippinum nicht mehr vorkommen, obwohl dort die Kenntnisse zumindest ein wenig diejenigen des Durchschnitts überschreiten dürften, nämlich z.B. zu wissen, welcher der Teletubbis schwul ist (bei Jauch wahrscheinlich eine Millionenfrage). Dies war übrigens immer mein Lieblings-Gag im Rahmen von Einführungen in die Sprachwissenschaft, wenn es um Fragen des sprachlichen und sonstigen Wissens ging: das Wissen ist gestreut, „sprachliche Arbeitsteilung“ etc. etc. (mit Hinweisen auf die Stereotypensemantik im Sinne von Hilary Putnam; ich erläutere das nicht weiter, denn es weiß ja erwartungsgemäß sowieso niemand etwas damit anzufangen). –

 

Und wenn man daran denkt, dass man nach Jahrzehnten, wie ich seinerzeit im Gästehaus der Uni Leipzig (zur Wendezeit), als ich dort vom DAAD aus eingesetzt war, gegenüber der Nicolaikirche auf derartige Anregungen – eigentlich eher unbewusst als bewusst – zurückgekommen bin, dann wird deutlich, wie prägend schulische Erlebnisse bzw. dortige Kenntnisvermittlung sind: Ich wollte ja nur einen kleinen Aufsatz im Rahmen einer Veranstaltung zur Textlinguistik schreiben, nämlich zu Fragen der Behandlung dichterischer Texte (in provokativer Weise am Beispiel Paul Celans, der allgemein als unverständlich bzw. schwerverständlich gilt und der den Studierenden dort aufgrund sozialistischer Grundausbildung als „dekadent“ galt – die ihn aber im Unterschied zu den Analphabeten im Westen immerhin kannten!!). Und was dabei nach Jahren herausgekommen ist, war ein 500 Seiten dickes Buch (eigentlich, unter Berücksichtigung der engzeilig gedruckten Passagen: 800 Seiten) zu allen Fragen der Lyrik in Sprach- und Literaturwissenschaft, nämlich „Gedeutetes verstehen – Sprachliches wissen“. Auch die Vermittlung lateinischer Dichtung blieb – in diesem Falle aber schon sehr früh – nicht ohne Wirkung: Dieses „Odi profanum“ (Horaz) hing viele Jahre bei mir bereits an der Wand, als ich noch Schüler war. Und wenn man heute, was ich gerade kürzlich bei der Bearbeitung eines Wörterbuchs festgestellt habe, im Rechtschreib-Duden dieses vertraute „Epitheton“ aus dem Griechischem mit langem „i“ liest (wie z.B. auch „Locus“ oder „Opus“ mit langem „o“), dann kommt wieder diese alte elitäre Auffassung hervor, zu der man nach wie vor steht, und die angesichts des allgegenwärtigen Analphabetismus im Sinne eines „Dennoch“ und in gerader Linie der Erinnerung an das „Odi Profanum“ vertreten wird – natürlich nicht ganz fanatisch, eher mit einem Lachen über die Dummheit, und ohne Brechreiz, wie es vielleicht früher einmal der Fall gewesen wäre.

 

Die „subkutane Impfung“ (meine Redeweise), die wir, auch wenn der eine oder andere ältere Lehrer damals irrsinnig komisch gewesen war, immerhin gegen Dummheit erhalten haben, wirkt bis heute noch – wahrscheinlich nicht nur bei mir, wie ich versucht habe am Beispiel aufzuzeigen! Natürlich blieben dafür die Naturwissenschaften weithin auf der Strecke. Was wir davon vermittelt bekommen haben, war so gut wie nichts. Aber mit perversesten Geschichten aus der Antike, mit dem Beten im Religionsunterricht etc. kannten wir uns sicher besser aus, als die heutigen Schüler des Gymnasiums. Bezweifeln möchte ich – man könnte es natürlich testen, wenn man wollte – allerdings, ob heutzutage Bollwerke gegen den  allgegenwärtigen Analphabetismus auch nur annähernd in der Weise im Unterricht aufgebaut werden, wie das seinerzeit der Fall war. Derartige Bollwerke dürften, so vermute ich recht stark, ziemlich löchrig sein! Darauf möchte ich sogar wetten! - Die negative Seite damaliger Ausbildung war natürlich, dass man – ich meine: wir als Schüler/Schülerinnen – irgendwo weltfremd in der Antike lebte bzw. in einen Sog hineingezogen wurde, sich dort besser auszukennen als in der aktuellen oder auch in der nicht weit zurückliegenden gesellschaftlichen Wirklichkeit Deutschlands. Dies aber zumindest dürfte heute am Philippinum totaliter aliter sein. Wir haben in Geschichte (ich denke an den irren Mück) seitenweise in ein paar Tagen Jahreszahlen mit Daten nach dem Motto „333 – bei Issos Keilerei“ auswendig gelernt. Ich weiß noch heute, wie ich mir im Wald (in dem ich hemmungslos Trompete live spielen konnte) nahe meiner damaligen Wohnung in

Stadtallendorf solche Daten angeeignet habe – zwischendurch von einem zum anderen Tag. Die Geschichte bestand ja überhaupt nur aus der Anreihung von Kriegen.

 

Aber von Nazis haben wir wohl kaum etwas gehört, von denen es damals in entscheidendem Umfang sogar mehr gab (eben: diese alten Nazis noch) als heute, eben weil die noch lebten. (Heute ist die ganze Gesellschaft unterwandert von Neonazis, weil man die bewusst hat gewähren lassen; die haben eigentlich die gesamte ehemalige DDR in der Hand, aber es gibt sie bekanntlich nicht nur bei uns in Deutschland). Warum das nicht der Fall war, kann man sich angesichts des damaligen Personals denken. Irgendwie scheint in diesem Zusammenhang ja auch der Mück (das müsste ich anhand von Aufzeichnungen, die ich von ihm habe, erst recherchieren, worin ich aber keinen Sinn sehe) in der Schule in Ungnade gefallen sein. Wahrscheinlich ist er (ich könnte seine Aussagen überprüfen, die ich mir notiert hatte) als – vermeintlicher? – Kommunist verunglimpft worden, oder er war tatsächlich Kommunist. Vielleicht hat er sich auch einfach nur als Quertreiber hervorgetan. Was sich seinerzeit rund um seine Person ereignet hat, kann ich an dieser Stelle nicht klären. Es muss jedenfalls seinerzeit heftige Auseinandersetzungen auch mit der Schulleitung gegeben haben.

 

Die Erinnerungen kamen natürlich schlagartig, als ich Engelhard sah. Aber all das liegt viele Jahre zurück. Wir standen da zusammen im Kreis auf dem Schulhof dieser neuen Schule. Dabei war – fast hätte ich es vergessen – auch dieser sympathische Schulleiter Stein, der einer völlig modernen Lehrer-Generation angehört. Engelhard berichtete lebhaft und amüsant von unglaublich vielen Details rund um den damaligen Schul-Neubau – von inkompetenten und korrupten Planern bis hin zur erfolgreichen Durchführung von Arbeiten. Ich kenne diese Architekten nicht; und ich habe mir auch nie darüber Gedanken gemacht, wie das seinerzeit mit dem Neubau war. Ich weiß nur eines: Heute würde man ein solch massives und repräsentatives Gebäude, wie es das alte Gymnasium war, nicht abreißen. Was da jetzt als Schulgebäude steht, ist im Vergleich zu dem früheren Gebäude ein Nichts, ein unbedeutender Neubau eben – jetzt etwas aufgemotzt durch eine neue Treppe etc. Gedanken an das alte Gymnasium kamen bei der Besichtigung von ein paar schön dekorierten Steinresten samt Hausnummer aus der früheren Turnhalle auf – eben nur Reste, welche wie die andernorts vorhandenen Überbleibsel des antiken Roms an einen längst vergangenen Glanz erinnern. Angesichts dessen musste ich an unsere Klassenfahrt nach Italien denken. Was hatte sich da unser homosexueller Latein- und Griechisch-Lehrer nicht für eine Mühe gegeben, uns auf das „Forum Romanum“ vorzubereiten! Er zeigte Dias mit Skizzen von unglaublich vielen Gebäuden, darunter Tempeln etc. von offenbar enormen Ausmaßen, deren Funktion und Namen wir dann irgendwann besser kannten als Gebäude z.B. in Marburg. Aber als wir dann während der Klassenfahrt dort standen, nämlich vor diesen vermeintlich bombastischen Bauwerken, war ich – wahrscheinlich nicht nur ich - zutiefst enttäuscht: die paar Trümmer und der eine oder andere Querbalken über ein paar Säulen waren das genaue Gegenteil dessen, was sich in der Phantasie als Erwartung aufgebaut hatte.

 

Während unseres Gangs durch die Räume und Flure des neuen Gymnasiums zeigte sich – jedenfalls bei mir – eine ähnliche Distanz zur Vergangenheit (wie zuvor beim Anblick der verbliebenen Steine aus der Halle), die vor allem auch eine bildungsbeflissene Vergangenheit mit ihrer Bücherkultur war, darin, dass wir in einem Flur zahlreiche sehr alte Bücher in Vitrinen bewundern konnten. Sie sind - eben hinter Vitrinen! - zum Bestaunen einer Vergangenheit gedacht, hier einer Bücher-Vergangenheit, als Ausstellungs-Stücke präsentiert wie ausgestopfte Tiere. Die Gegenwart sieht hingegen anders aus, nämlich mit hemmungslos anglizistisch sich dem Geschmack von Jugendlichen anbiedernden Funktionsbezeichnungen gewisser Räume, wobei als besonders auffallend dieser Raum zum „Chillen“ (so die Beschriftung über der Tür des Raums) hervorstach. Da lagen Matratzen – zu was auch immer – herum: für Ramba-Zamba oder fürs Bunga-Bunga? Wir hatten damals während der Klassenfahrt nach Italien – und das kam mir dabei in den Sinn – auf Luftmatratzen geschlafen und teils derart viel von diesem italienischen Fusel-Wein getrunken, dass einige sich übergeben mussten und den Inhalt ihres Magens in die Rillen der Luftmatratze geraten war. So ging es auch meinem Nachbar im Zelt; ich meine, dass das der Stey war. Aber hier im neuen Philippinum „chillt“ man modern, oder was immer man da tut. So haben sich die Zeiten geändert! Man muss ja die Schüler(innen) anglizistisch bei Laune halten. Man muss heute auch um Schüler(innen) mit interessanten Angeboten werben, wie wir anfangs beim gemeinsamen Zusammensitzen im Eingangsbereich vom Direktor erfahren hatten. Früher war für das Gymnasium Philippinum Imagepflege genug, dass dorthin überwiegend Doktoren und Professoren ihre Kinderlein hinschickten, weil der Ruf der Schule als Elite-Gymnasium allenthalben bekannt war. Für unterprivilegierte bzw. bildungsferne Schichten kam im Wesentlichen die Gesamtschule in Kirchhain infrage; und für verwahrloste oder geistig beschränkte Jugendliche reicher Eltern war vor allem die Steinmühle Anlaufstelle, wobei die Eltern soviel Geld fließen ließen, bis ihre missratene Brut irgendwann endlich das Abitur schaffte. Zu weiteren Schulen, die als ernsthafte Konkurrenten zum Philippinum anzusehen waren (Elisabeth-Schule, Martin-Luther-Schule, Gymnasium Amöneburg), weil sie schon damals durchaus hervorragende Qualitäten aufwiesen, möchte ich mich hier nicht äußern. 

 

Wie die Verhältnisse in vergleichbaren Schulen waren, weiß ich nicht. Aber ich muss sagen, dass im alten Philippinum niemand aufgrund seiner Herkunft benachteiligt worden ist. Ich erinnere mich noch genau daran, dass angesichts des Todes meines Vaters (da war ich ca. dreizehn bis vierzehn Jahre alt) sogar mein/unser homosexueller Latein- und Griechischlehrer Wiemer zu uns nach Hause gekommen ist. Dort hatte ich – das sei am Rande vermerkt - sogar den Eindruck, dass er für meine Tante (eine Opernsängerin, die seinerzeit zu Besuch war) durchaus große Zuneigung empfunden hat. Denn er konnte sich – wie alle Schwulen – den Damen gegenüber äußerst charmant verhalten; und sie unterhielten sich sehr intensiv über die Antike, über Musik und Literatur etc. Ansonsten war es für mich immer peinlich, bei den rituellen Befragungen durch den Klassenlehrer zu Beginn eines Schuljahres („Beruf des Vaters?“) sagen zu müssen, dieser sei „Strumpfwirker“ gewesen und – so der Nachsatz nach seinem Tode – „verstorben“, Beruf der Mutter sei „Näherin“ (meine Mutter begann nach dem Tode meines Vaters als Näherin bei der Bundeswehr zu arbeiten), während andere angeben konnten „Oberstleutnant“, oder gar „Professor“. Aber da hat niemand gefeixt oder alberne Bemerkungen gemacht. So war das eben damals: Man kann gegen einzelne Lehrer (Lehrerinnen gab es meines Wissens kaum – jedenfalls hatten wir keine Lehrerin im Unterricht) einwenden, was immer man mag: Aber es gab nie auch nur einen Hauch der Benachteiligung aufgrund der Herkunft von Schülern. Natürlich stand schon mal der eine oder andere Vater eines Wackelkandidaten nach einer Schulstunde vor der Tür und sprach mit dem Klassenlehrer, wenn sein Zögling zwischen den Noten „Vier“ und Fünf“ stand. Offensichtlich spendete der dann genügend – und schon gab es eben eine „Vier“ statt einer „Fünf“. Daran erinnere ich mich sehr stark, nämlich z.B. an den in Marburg seinerzeit bekannten Humangenetiker Wendt, der einen vornehmen blauen Anzug anhatte und regelmäßig vor unserer Klassentür auftauchte, als wir in der Oberstufe waren.

 

Nach dem Durchgang durch die Räume der Schule und nach der Verabschiedung durch den Direktor Stein war geplant, in den Bückingsgarten zum Essen zu gehen bzw. zu fahren. Beim Fortgang zum Auto waren Erbacher und Wacker offenbar in tiefschürfende Gespräche vertieft. Sie blieben zurück, und sie sind dann auch nicht nachgekommen. So waren im Bückingsgarten dann auch nur anwesend: Wilfried Franz mit Frau Monika, Poeta resp. Friedhelm Roediger, Herr Engelhard – und meine Wenigkeit mit Cornelia. Das Niveau dort im Restaurant ist überragend, das Personal nett und nicht aufgeblasen wie in einem Gourmet-Restaurant gewöhnlich. Mit Engelhard gab es auch hier einen wunderbaren Small-Talk. Das kann er prima. Er hatte sogar noch die Schulnoten aus früheren Zeiten parat. Und er wusste auch noch, was für eine Flasche ich seinerzeit im Sport war. Erst später, als er nicht mehr bei uns Sportlehrer war, hatte ich es denen gezeigt; das konnte er nicht mehr wissen. Denn da hatte ich viele Monate lang hart trainiert – mit Eisenschuhen und sog. „Bullworker“ -, sodass ich zumindest in der Halle normale Noten gebracht habe. Draußen – Ballwerfen, Laufen etc. – war es immer noch ein Chaos bei mir. - Das waren da im Bückingsgarten wirklich amüsante Gespräche. Neben Herrn Engelhard hat mich zutiefst amüsiert, wie schön Monika erzählen kann. Es ging da um die Schule und um andere Themen. Da musste ich sie total bewundern und habe ihr auch mitgeteilt, dass ich ihr stundenlang zuhören könnte. Sie ist eine prima Person. Ob es zu weiteren Begegnungen mit Franzi und ihr – zum Beispiel im Rahmen eines Besuchs bei uns in Paderborn (Stadtteil Neuenbeken) - wirklich kommt, müssen wir mal sehen.   

 

Dafür, dass aus meiner Sicht der Aufenthalt im Bückingsgarten als äußerst erfreulich erlebt werden konnte, gab es einen weiteren Grund: Ich hatte auch das große Glück, einen Angestellten zu finden, der mir beim Auto geholfen hat. Den Mann (wohl ein Türke) hatte ich draußen beim Rauchen angetroffen. Eigentlich hatte ich nur um ein dickeres Klebeband gebeten, das ich meinte, benötigen zu müssen. Denn bei der Fahrt Richtung Schloss (und damit zum Bückingsgarten) war ein Problem mit meinem Citroen aufgetaucht: Da gab es ein unerklärliches lautes Klopfgeräusch, das vom Reifen her kam. Der Mann ist mit mir zum Auto gegangen (war wohl mal Automechaniker), hat das Problem als ein abgerissenes Teil an der Plastikabdeckung Richtung eines Reifens und dort am Reifen vorhandenen Eisenteils zur Windabweisung identifiziert, ein Teil davon entfernt, ansonsten die Problemlage als unproblematisch für die Weiterfahrt begutachtet – und als Dank von mir zehn Euro erhalten. Das war also – in Bezug auf meine Problemlage – wirklich prima gelaufen. Ansonsten war das Essen ganz exklusiv! Und das sagte auch Cornelia, die sich wirklich auf diesem Gebiet auskennt. Ich persönlich wäre auch mit einem weniger exklusiven Essen durchaus zufrieden gewesen. Das Personal war auch sonst nett. Und noch etwas: Wilfried Franz hat anlässlich seines vorausgegangenen Geburtstages alles bezahlt. Dafür möchte ich ihm an dieser Stelle nochmals danken.

 

Für die erweiterte Gruppe blieb nur der Abend. Wir hatten in der Sonne einen relativ kleinen Raum. Schön war, dass Jäschke irgendwann kam. Er war ganz aufgelöst und deutete an, dass er ein ihn bedrückendes Erlebnis gehabt habe. Es stellte sich heraus, dass es eine, viele Jahre zurückliegende Geschichte war, die ihn während seiner Bahnfahrt angerufen hatte. Offenbar wollte eine Dame aus einem viele Jahrzehnte zurückliegenden Verhältnis Kontakt aufnehmen, woran er kein Interesse hatte – also eigentlich eine Bagatelle. Das ging aus Gesprächen mit den anderen hervor; außerdem hat er mir das nach dem Treffen auch am Telefon nochmals erläutert. Auf jeden Fall ist er immerhin noch gekommen. Mit ihm konnte ich früher immer besonders gut: Ich habe ihn als Zyniker in Erinnerung, der gute Sprüche (über Frauen: „Die Pfanne an sich ist dumm“) drauf hatte, Ungläubiger wie ich war, etc. Später kam auch noch Georg Gremels, der beim letzten Zusammentreffen vor fünf Jahren nicht dabei war. Der Georg ist heute noch so, wie er immer war: ein äußerst netter und unkomplizierter Mensch. Dass der gekommen war, hatte mich sehr gefreut. Zwischendurch – Wilfried hatte das übernommen – gedachten wir der verstorbenen Klassenkameraden. Das habe ich ja auch in dem – offiziellen – Bericht bereits angesprochen. Herr Engelhard hatte sich bereits im Bückingsgarten dafür entschuldigt, dass er abends in der „Sonne“ nicht mehr dabei sein könnte. Offenbar hat er irgendein körperliches Problem; ich habe aber nicht nachgefragt, worum es sich handelt.

 

Das Essen wurde bei einer dicklichen, sehr netten Bedienung bestellt. Ich war natürlich – wie immer in solchen Fällen – auf Negatives vorbereitet, weshalb ich Bratkartoffeln bestellt habe. Da, dachte ich mir, könne man nicht viel verkehrt machen. Denn Kartoffeln braten kann der Dümmste, man könnte höchstens zu viel Fett reinpantschen. Dann wurde das Essen von einem sehr unfreundlichen Ober auf den Tisch geknallt. Das passte Cornelia nicht. Ich weiß nicht, wie die anderen darüber gedacht haben; selbst habe ich es nicht gesehen, da ich gerade draußen war zum Rauchen. Aber der Fraß, den jedenfalls Cornelia erhielt, war derart erbärmlich, dass sie ihn nicht anrührte bzw. nur ein wenig von dem Fleisch gegessen hat. Das sollten Kässpätzle mit Schweinefilet sein; aber das Ganze war einfach nur „eine Pampe“, wie sie vermerkte. Sie ist zwar – ich erlebe das fest täglich zu Hause – eine exklusive Köchin, aber ohne viel Wind um diese Fähigkeit zu machen. Und sie ist bestimmt nicht komisch, was die Beurteilung des Essens in dem einen oder anderen Restaurant angeht. Aber das muss schon heftig gewesen sein. Meinen Rat, die Bedienung wegen des unverschämten Fraßes zurechtzuweisen, hat sie aus Rücksicht auf die anderen und die dadurch eventuell aufkommende schlechte Stimmung nicht befolgt. Ich hätte denen das um die Ohren geschmissen! Die können es sich erlauben, solch einen Fraß anzubieten. Das habe ich erfahren, als ich zwischendurch draußen eine Zigarette geraucht habe. Ein Angestellter meinte nämlich, die „Sonne“ könne jeweils doppelt mit Kunden belegt werden, so groß sei der Andrang.  

 

Wie vor fünf Jahren war ja ganz klar, dass ich (WW) nach dem Essen wieder meine Show mit einem Ständchen abziehen würde. Bereits im Rahmen der Einladungen hatte Erbacher daran erinnert, dass ich das tun solle. Ich hatte da diesmal mein Flügelhorn ausgewählt. Das Problem war nur, dass ich mich vorher einspielen muss, wie das nicht anders geht. Nicht umsonst hatte ich fünf Jahre Ausbildung. Nur Ignoranten würden da einfach so reinblasen - also Leute, die keine Ahnung davon haben. Dass das bei denen in der „Sonne“ diesmal nicht vernünftig geklappt hat, war ein weiteres Ärgernis. Ich bin nach unten an die Theke gegangen und habe freundlich gefragt, ob es nicht ein Plätzchen irgendwo im Hause gäbe, an dem ich mich einspielen könne. Aber diese unfreundlichen Kerle meinten – so nebenbei -, sie hätten da nirgends einen Platz im Hause. Daraufhin habe ich da unten sehr getobt – vor allen Leuten: das sei ein unmögliches Haus, dass es nicht mal irgendwo eine kleine Ecke gäbe, und dass mir solch ein Laden noch nicht untergekommen sei. Dann habe ich mich halt mit Dämpfer hinter die Tür außen vor den Raum gestellt, in dem wir uns aufhielten. Aber das war sozusagen nur ein Notprogramm. Da kamen auch ständig Leute vorbei mit Bemerkungen wie „Ach, was haben Sie für einen guten Ton“ etc. Da habe ich die Prozedur nach 15 Minuten abgebrochen und bin in den Raum gegangen. Das musste dann halt ein einfaches Programm werden – einige Standardtitel, die ich auch noch spielen könnte, wenn ich nachts aus dem Schlaf gerissen würde. Außerdem habe ich immer noch vor Wut gekocht, weil diese unverschämte Bande mir zuvor nicht mal eine freundliche Antwort gegeben hatte. Inneres Aufgekratztsein ist keine gute Voraussetzung für ein Trompetenspiel. Dazu kam die Hitze in dem kleinen Raum: Ich habe dann – mehr recht und schlecht – zwei Titel gespielt. Dann wollte man – typisch laienhaft, wo ich doch vom korrekten Einspielen etc. erzählt habe – „Il Silenzio“ hören. Wenn man diesen Titel – so einfach der erscheinen mag – auf gutem Niveau spielen will, müssen die Bedingungen einfach stimmen. Ich habe den dann einfach eine Oktav tiefer gespielt - und dann das Flügelhorn wieder verpackt. Wenn ich da die Unfreundlichkeit des Personals hervorgehoben habe und das schlechte Essen, das die angeboten haben, dann möchte ich eigentlich diese Dicke, die Bedienung nämlich, ausnehmen. Denn die war immerhin so nett, von uns mehrere Fotos zu machen. Und die Fotos waren wirklich gut – mit der Spiegelreflexkamera von Gremels. Sonst hätten wir kein brauchbares Gruppenfoto für die „Chronika“ gehabt.

 

Das war’s dann eigentlich auch schon fast - nach allen netten Gesprächen und dem durchaus gemäßigten Trinken in der Runde. Kurz, bevor das Lokal schließen wollte, kam dann: Ausmarsch in die Stadt zum Auto (was uns anging) bzw. zum Hotel (für die Auswärtigen). Was dann kam war Nacharbeitung: Ich habe dann nach Bitte von Wilfried den Bericht bald verfasst. Den lieben Poeta habe ich in Ruhe gelassen. Denn der war mit Umzugsvorbereitungen befasst sowie vor allem mit Vorbereitungen für seine Verabschiedung, zu welcher er Wochen später – nachdem ich DVD plus Fotos längst geschickt hatte – eine Einladung schickte. Davon, dass er meine Lieferung erhalten hat, kam kein Wort. Ich nehme ihm das ja auch nicht übel. Der hatte ja genug am Hals - auch mit seiner Frau, die vor ihrer Knieoperation erst abnehmen musste etc. Mit Georg Gremels habe ich wegen der Fotos dann sehr oft Mails ausgetauscht. Seine Fotos waren als Vorlage ganz prima; die habe ich dann – wie ich das mit Fotos immer mache - bearbeitet. Auch Jäschke hatte einige Fotos. Auch die habe ich bearbeitet. Wir haben dann auch mehrmals telefoniert. Erbacher (früher mit Spitznahmen „Erbse“ genannt) hat ja offenbar am neuen Wohnort nicht mal eine Mail-Adresse. Was da los ist, ist mir unerklärlich; ich habe aber nicht nachgefragt, weil mich das nichts angeht. Herrn Engelhard hatte ich dann in dem Zeitraum einmal geschrieben, auch unserem Klassenkameraden Wacker. Mit Herrn Ohlwein konnte ich alles sehr gut regeln. Da er wohl nur ab und zu an den PC geht, lief das teils zusätzlich telefonisch. Offenbar ist das alles – Übermittlung des Berichts und zweier ausgewählter Fotos – gut gelaufen. Ich hatte ja diesen Bericht zur Kontrolle vorher allen zugeleitet. Da kamen aber keine Hinweise auf mögliche Fehler. Einen Fehler hat lediglich der Projektleiter bei Pons (mit dem ich seit Jahren zusammenarbeite) vermerkt, nämlich dieses „Chillen“. Ich habe das dann korrigiert. Unser Wilfried war zwischenzeitlich mit Moni im Urlaub. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass er von dort aus den Eingang meiner Lieferung bestätigt hat. Ich habe da ja keine Huldigungen oder warme Dankesworte erwartet. Es ging mir nur darum zu wissen, ob die Sachen bei allen gut angekommen sind, wie anfangs schon betont.

 

Und schließlich: Was in fünf Jahren sein wird, weiß man sowieso nicht. Sind wir dann alle – oder einige von uns – bereits senil, vielleicht gar dement? Haben wir oder einige von uns vielleicht Alzheimer oder andere Krankheiten? - Ich hoffe, dass nichts davon der Fall sein  wird! Ich erwarte einfach, dass wir fit und gesund bleiben! Das wünsche ich euch allen! - Denn wir haben unheimlich viel zu tun, was ja wirklich gut ist und gesund erhält! Da hat man gar keine Zeit, krank zu werden, oder sich mit Wehleidigkeiten zu befassen. Hoffen wir mal, dass alles weitergeht wie bisher. Was kommt, wird sich zeigen. Es wird sich auch zeigen, ob verschiedene Kontakte – zumindest sporadisch – aufrecht erhalten bleiben. Man kann ja mal zwischendurch – bei all der Arbeit und bei all den Verpflichtungen – einfach einen Gruß senden. Ich jedenfalls werde versuchen, das zu tun. Und vielleicht – wer weiß? – kommt es ja zu einem weiteren Klassentreffen: unkompliziert, ohne Dramatik, ohne übertriebene Erwartungen, in aller Verbundenheit - wie stets.

 

Ich jedenfalls möchte allen:  Herrn Engelhard, Wilfried und Moni, Friedhelm (mit Grüßen an seine Frau), Georg, Joachim (unbekannterweise bzw. nur vom Foto her auch seiner Frau), Jörg (mit der Bitte, auch Roland zu grüßen: Mail geht ja nicht), sowie auch Herrn Ohlwein

 

auf diesem Wege

schöne Weihnachtsfeiertage wünschen

sowie alles Gute im neuen Jahr

 

W. W. und C.W.

-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

 

                                                                                        Eröffnung der Kampagne 2010/2011 des FCKK Stadtallendorf am 19.11.2010

 

Werner Wolski

 

 

Pünktlich um 19:44 eröffnete Cornelia Prill, die 1. Vorsitzende des FCKK („Festkomitee Carneval in den Katholischen Kirchengemeinden“ e.V.), vor etwa 300 Gästen die Kampagne 2010/2011. In dieser Saison blickt der Verein, der sich nur durch Mitgliederbeiträge der über 400 Mitglieder sowie Sponsorengelder trägt, bereits auf 44 Jahre Karneval zurück und feiert somit ein Jubiläum.

 

Getreu dem Motto des Vereins „Das Brauchtum Carneval zu erhalten und zu verbreiten, Feste (bzw. „feste“) feiern, Freude bereiten und die Erlöse einem guten Zweck zuführen“ führte das Sitzungspräsidenten-Paar Christel Rohm-Naumann und Norbert Naumann souverän durch ein reichhaltiges Programm: Nach dem Einmarsch der „Blauen Funken“ tanzten die „Mini-Kids“, die „Wilden Hühner“, das Tanzpaar Tim Sehon und Lisa Weitzel, die „Flippergarde“, die „Prinzengarde“, die „Welle-Watz-Weiber“. Ebenso begeisterten: das Funkenmariechen Marie Christin Falker mit ihrem gekonnten Tanz sowie eine Gruppe Emsdorfer Mädels mit ihrem Piratentanz. In guter Mischung des Programms traten außerdem die „Flotten Lotten“ mit Schlager-Parodien auf, sowie Jaqueline und Michael Wende (Gesang mit Gitarrenbegleitung). Für professionelle musikalische Begleitung sorgte ansonsten den gesamten Abend der „Ohmtalboy“ Marko Witzel.

 

Den mit Spannung erwarteten Höhepunkt der Eröffnungsveranstaltung bildete die Verabschiedung des Prinzenpaares der Saison 2009/2010, nämlich Prinzessin Christine I. und Prinz Guntram I., und die anschließende Zeremonie der Inthronisierung des Prinzenpaares 2010/2011. Das neue Prinzenpaar heißt Prinzessin Angelika I. und Prinz Edgar I. - mit bürgerlichem Namen Angelika und Edgar Schemionek. Deren Ansprache begeisterte das Publikum, zu dem auch etliche befreundete Karnevalsvereine mit Prinzenpaaren zählten. Anschließend blieb genug Zeit für Tanz und Gespräche. Zum Gelingen der Veranstaltung trugen auch die zahlreichen Helferinnen und Helfer bei, die für die Bewirtung sorgten oder in anderer Weise (Garderobe etc.) tätig waren.

 

Die 44. Jubiläums-Prunksitzung findet am 19.02.2011 um 19:11 statt. Hingewiesen sei auch auf die Veranstaltung des Kinderfaschings am Sonntag, 20.02.2011, ebenfalls in der Stadthalle Stadtallendorf. Dies und Weiteres zum FCKK (Vorstellung der Aktiven, Bildergalerie etc.) lässt sich der Homepage des Vereins entnehmen.

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Prunksitzung des FCKK Stadtallendorf am 19.02.2011

 

Werner Wolski

 

 

Am 19. 02. 2011 eröffnete die Erste Vorsitzende des FCKK, Cornelia Prill, kurz nach 19:11 Uhr die traditionelle Prunksitzung unter anderem mit den Worten „Wunderbar, wunderbar, der FCKK ist wunderbar“. Die Sitzung stand ganz im Zeichen des 44-jährigen Bestehens des Vereins, weshalb Cornelia Prill auch auf die Jubiläums-Veranstaltung am 10. September hinwies, an der neben den Mainzer Hofsängern zahlreiche andere Künstler und Künstlerinnen auftreten werden. Daran schloss sich der Einmarsch des Elferrates mit den Gruppen und dem Prinzenpaar Angelika I. und Edgar I. samt Hofstaat an. Auf der Bühne mit hervorragend gestalteter Kulisse und begleitet von einem „dreifach donnernden Stadtallendorf Helau! FCKK Helau! Prunksitzung Helau!“ stellte sich das Prinzenpaar mit dem Motto vor: „Mit Humor und Schwung, vierundvierzig Jahre jung“. Hier wie im weiteren Verlauf der Sitzung moderierten Christel Rohm-Naumann und Norbert Naumann als Präsidentenpaar die Prunksitzung in bekannt souveräner Art und Weise abwechselnd, wobei sie auch die zahlreich erschienenen Ehrengäste und die Abordnungen befreundeter Karnevalsvereine aus Londorf, Laubach und Marburg begrüßten. Begleitet wurde die Veranstaltung durch die Kapelle „Moskitos“.

 

Im Anschluss an den Auftakt des Programms glänzte die Prinzengarde wie gewohnt mit ihrer Tanzeinlage (Trainerin: Andrea Hammerschmidt). Darauf folgte ein erstmals beim FCKK auftretendes junges Tanzpaar, welches das Publikum nicht minder begeisterte: Lisa Weitzel und Tim Sehon überraschten mit einem hervorragenden Showtanz, was mit einer ersten Rakete belohnt wurde. Nach einer Schunkelrunde schloss sich als traditioneller Programmpunkt der Vortrag des „Bärenhannes“ (Hans-Joachim Görge) an: Wie in Jahren zuvor ging er witzig und kritisch auf lokale Ereignisse in Stadtallendorf ein: Rückblick auf den Hessentag 2010 (unter anderem samt Geißelung von Anglizismen auf Hinweisschildern für Besucher), Kandidatenfrage der kommenden Bürgermeisterwahl, und andere Vorkommnisse in der Stadt. Da Hans-Joachim Görge, der insgesamt 32 Auftritte beim FCKK hatte, nach 11 Jahren seine Rolle als Bärenhannes nicht mehr fortzusetzen gedenkt, wurde er von Cornelia Prill im Anschluss an seinen Vortrag mit einem der größten Karnevalsorden geehrt, nämlich mit dem „Orden des Bunds deutscher Karnevalisten“.

 

Auch in der Abfolge der Darbietungen hervorragend geplant waren die sich anschließenden Auftritte der Kleinsten aus den Tanzgruppen, nämlich der „Blauen Funken“ (Trainerinnen: Gisela Homburg und Jasmin Drews), danach der „Mini Kinds“, der aus Kindern ähnlichen Alters bestehenden Gruppe (mit ihrem „Hexentanz“; Trainerinnen: Anita Köster und Nadja Schratz), sowie der „Wilden Hühner“ (Trainerinnen: Katharina Görge und Vanessa Scherer). Auf diese vom Publikum begeistert aufgenommenen Tanzeinlagen folgte mit „Unheilig“ eine Überraschung: Denn hier präsentierte sich erstmals der  Zeremonienmeister des FCKK, nämlich Helmut Weitzel, als glänzender Darsteller des Titels „Geboren um zu leben“, wobei er von einem Kinderchor begleitet wurde. Nicht minder mit Beifall bedacht worden ist anschließend Pfarrer Diethelm Vogel, der gleichfalls erstmals in der Bütt stand: Als „Kerzenmann“ („Kerzen Bummel“) verkaufte er Kerzen für verschiedene kirchliche Anlässe und erzählte anschließend amüsante Anekdoten, die er auf verschiedene katholische Kirchengemeinden bezog.

 

Nach einer weiteren musikalischen Einlage in Form einer Schunkelrunde traten als beliebte Komödiantinnen Sylvia Ossinger und Regina Kremer auf, deren Darbietungen seit langem nicht von ungefähr zum Standardprogramm gehören. Diesmal in die Wüste verschlagen, unterhielten sie das Publikum wie immer mit unendlich vielen Gags. Mit von der Partie waren auch Beate Feldpausch und Ursula Quirmbach als Beduinen.

 

Als weitere Tanzeinlage schloss sich der Tanz der „Flippergarde“ (Trainerinnen: Andrea und Nadine Hammerschmidt, sowie Carina Homburg) an, gefolgt von dem Funkenmariechen des FCKK, Marie-Christin Falker. Im Anschluss an ihren mit viel Beifall bedachten Auftritt bedankte sich Marie-Christin bei ihren Trainerinnen Nadine Hammerschmidt und Carina Homburg. Eingeleitet durch „Das bisschen Haushalt….“ stellte sich sodann Doris Mann als „moderne Frau von heute“ vor, die einer Arbeit nachgeht, während ihr Ehegatte eigentlich die Wohnung in Ordnung halten sollte. In dem für den Weiberfasching des HR (wo sie bereits einmal aufgetreten ist) vorgesehenen Beitrag beklagte sie die Faulheit und Unfähigkeit ihres Hausmanns. Unter dem Titel „Hart und Rock“ präsentierte sich anschließend das „Wende-Duo“ mit Gesangstiteln, denen sie Texte zum Hessentag und zum Dioxin-Skandal unterlegt hatten. Begleitet wurde die stimmgewaltige Jaqueline Wende dabei wie sonst von ihrem Vater. Nicht minder begeisterten anschließend die „Wille-Watz-Weiber“ mit Tanz und Gesang. Einen weiteren Höhepunkt des Programms bildete der letzte Auftritt des Funkenmariechens Nina Hammerschmidt beim FCKK. Ihre Trainerinnen Cornelia Prill und Carina Homburg bedankten sich anschließend bei Nina für die schöne gemeinsame Zeit.

 

Mit lebhaftem Treiben der „Ulknudeln“ auf einem Piratenschiff ging es weiter: Man war auf die Insel Sansibar verschlagen worden, bekam es mit Piraten zu tun – und natürlich fehlten dort auch Hula-Mädchen nicht. Da gab es viel Raum für komödiantische Einlagen, was vom Publikum mit viel Beifall aufgenommen wurde. Anschließend sorgte auch ein anderer komödiantischer Beitrag für Stimmung, nämlich der unseres Hofmarschalls Michael Feldpausch, welcher wieder einmal im Ballett-Kleid als „Michaela“ mit seiner Ballett-Persiflage den „sterbenden Schwan“ machte und anschließend auch mit seinem Tanz zu einem Rock-Titel Alt und Jung begeisterte. Nach einer weiteren Schunkelrunde traten sodann vor dem großen Finale auf: die „Dancing Diamonds“ sowie die „Feuerhexen“, gefolgt von den „Kaktusblüten“, die diesmal sieben Zwerge mit Schneewittchen darstellten.

 

Beim großen Finale, zu dem sich alle Aktiven des FCKK und die Abordnungen der auswärtigen Karnevalsvereine auf der Bühne versammelten, kam es zu einem weiteren Höhepunkt der Jubiläums-Sitzung: Denn Bernd Weitzel, der in der Saison 2002/2003 Prinz Bernd I. war, stellte dazu seine auf den FCKK gemünzte Umdichtung des „Halleluja“ der Klostertaler  vor – mit dem Refrain: „Deshalb Kinder, Mann und Frau, lasst uns feiern mit Helau: Halleluja FCKK! Freude bereiten – wunderbar. Und allen Menschen ist es klar: Halleluja FCKK! Tut Gutes und erzählt davon: FCKK!“ - Zusammen mit Bernd Weitzel wurde der Titel einmütig von allen Aktiven auf der Bühne gekonnt und lautstark vorgetragen; aber auch das Publikum konnte sich durch Mitsingen daran beteiligen, da der Text auf den Tischen bereitlag. Schließlich sang Guntram Weitzel, der langjährige ehemalige Erste Vorsitzende sowie Präsident des FCKK und in der Saison 2009/2010 auch Prinz Guntram I., unter Begleitung aller Beteiligten nach einem „FCKK Helau“ den Titel: „So ein Tag, so wunderschön wie heute!“. Damit war der offizielle Teil der Jubiläums-Sitzung des FCKK beendet. Nach der üblichen Polonaise durch den Saal ging es mit Tanz und Gesprächen zum inoffiziellen Teil der Veranstaltung über.   

 --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Neujahrsempfang des FCKK Stadtallendorf am 08.01.2012

 

Werner Wolski

 

Mit den besten Wünschen für das neue Jahr begrüßte die Erste Vorsitzende, Cornelia Prill, am 08.01.2012 um 11:00 Uhr (Stadthalle) die anwesenden Gäste zum traditionellen Neujahrsempfang des Prinzenpaares des FCKK. Musikalisch begleitet wurde die Veranstaltung diesmal von dem Musikduo Tanja (Tanja Pietsch) und René (René Misar), deren Darbietungen sehr positiv aufgenommen worden sind. Das Präsidentenpaar Christel Rohm-Naumann und Norbert Naumann hieß anschließend die Abordnungen der befreundeten Karnevalsvereine aus Marburg und Laubach herzlich willkommen, sowie  neben Bürgermeister Manfred Vollmar auch den künftigen Bürgermeister Christian Somogyi und weitere Repräsentanten aus der kommunalen Politik. Die erste Amtshandlung des neuen Prinzenpaares, Prinzessin Franziska I. und Prinz Dominik I., bestand sodann in der Überreichung der Kampagnenorden an den Elferrat, woran sich der Auftritt des jungen Funkenmariechens Angelina Cimiotti anschloss, die von der Aktiven Jasmin Drews trainiert wird. Ihr gekonnter Tanz, der samt Zugabe mit sehr viel Beifall aufgenommen wurde, leitete über zu der allseits erwarteten Ansprache des Prinzenpaares, das zunächst von dem Hofstaat, nämlich von der Hofdame Sabine Hentrich und dem Hofmarschall Michael Feldpausch, vorgestellt wurde.

 

Prinzessin und Prinz brachten - in Wechselrede mit Anmerkungen zu ihrer Rolle - gemeinsam zum Ausdruck, dass sie mit Freude bei der Sache sind; auch dankten sie für die vielfältige Unterstützung von Seiten des Vereinsvorstands. Sie wiederholten das bereits bei der Eröffnung am 18.11.2011 vorgetragene Motto „Jugend an die Macht“ und schlossen an: „Ob jung, ob alt – das ist egal: Hauptsache, wir feiern zusammen in großer Zahl! Es ist schön ein Prinzenpaar für euch zu sein! FCKK Helau!“ – Nach der Verleihung des Prinzenordens an verdiente Repräsentanten und Förderer des Vereins ging auch der Zweite Vorsitzende, Friedhelm Kremer, in seiner Rede unter anderem auf das Motto „Jugend an die Macht“ ein. Er wies darauf hin, dass angesichts verschiedener gesellschaftlicher Entwicklungen heute auch die Karnevalsvereine vor große Herausforderungen gestellt seien. Es komme von daher wesentlich auf eine geeignete Nachwuchsarbeit an und darauf, in Zusammenarbeit mit älteren Aktiven auch Jugendliche verstärkt für die Mitarbeit im Verein zu motivieren. Mit dem jungen Prinzenpaar und deren Motto „Jugend an die Macht“ habe der FCKK ein deutliches Signal in diese Richtung gesetzt. Außerdem stellte Friedhelm Kremer im Rahmen seines Rückblicks auf das Jahr 2011 heraus, dass die Prinzengarde bei dem Garde-Tanzturnier den zweiten Platz belegt hat, ebenso wie auch Marie-Christin Falker bei den Tanzmariechen; die Flippergarte erreichte einen guten dritten Platz. In dem Zusammenhang teilte Friedhelm Kremer unter anderem mit, dass es bei den Trainerinnen für die Tanzgruppen einige personelle Veränderungen geben werde. Hingewiesen wurde von Friedhelm Kremer des Weiteren darauf, dass Florian Blum im letzten Jahr zum Schriftführer gewählt wurde, und dass der „Bärenhannes“ (Hans-Joachim Görge) nach fast 40 Jahren in der Bütt ausgeschieden ist. Dafür ist ihm der  traditionelle Orden des „Bundes deutscher Karneval“ verliehen worden.

 

Im weiteren Programmverlauf begeisterte die Prinzengarde mit einem neuen Tanz, den sie der Prinzessin zu Ehren darbrachten. Die Prinzessin, die selbst in der Prinzengarde tanzt, übernahm es sodann, der Garde zu danken und deren Trainerinnen Andrea Hammerschmidt sowie Carolin Lauber den Prinzenordnen zu überreichen. Begleitet von dem Gesangsduo Tanja und René präsentierten sich sodann der vormalige Prinz Edgar I. (Edgar Schemionek) und Sitzungspräsident Norbert Naumann gemeinsam zur Begeisterung der Anwesenden mit dem Titel „My Way“ (von Frank Sinatra) als Trompeter. Anschließend kamen die Sternsinger der drei katholischen Kirchengemeinden als Gäste auf die Bühne. Wie die Sitzungspräsidentin, Christel Rohm-Naumann, dazu erläuterte, heißt das Motto der Sternsänger in diesem Jahr: „Klopft an Türen, pocht auf Rechte – deutschlandweit“. Die Erlöse ihrer Aktion kommen dem Land Nicaragua zugute. Für einen begeistert aufgenommenen letzten Höhepunkt des Programms sorgte sodann Tanzmariechen Marie-Christin Falker mit einem neuen Tanz.

 

Danach neigte sich die rundum gelungene Veranstaltung langsam dem Ende zu: Nach Grußworten der befreundeten Karnevalsvereine aus Marburg und Laubach wurde, begleitet von dem Musikduo, nach einem Karnevalswalzer (mit der bekannten Schneewalzer-Melodie) geschunkelt und gesungen. Auf den Tischen lagen hierfür die Texte aus, sodass alle Anwesenden sich daran beteiligen konnten. Zum Abschluss des offiziellen Teils eröffnete der Sitzungspräsident Norbert Naumann das Bufett, das übrigens hervorragend von Erhard Neumann angerichtet worden war. Nach dem Essen gab es genügend Gelegenheiten zu Gesprächen – teils sicherlich auch im Hinblick auf die zentrale Veranstaltung der Saison: Denn der nächste wichtige Termin ist der 04.02. dieses Jahres, nämlich die „45. Närrische Prunksitzung“ des FCKK (ein Samstag). Darauf folgt am Sonntag, 05.02.2012 der Kinderfasching.

 

W.W.

 --------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Eröffnung der Kampagne 2012/2013 des FCKK Stadtallendorf

 

Werner Wolski

 

Endlich war es soweit: Mit einem dreifach donnernden „FCKK - Helau“, „Prinzenpaar – Helau“, „Kampagne – Helau“ eröffnete die Erste Vorsitzende des FCKK, Cornelia Prill, die neue Karnevals-Saison 2012/2013 - diesmal in dem Bürgerhaus von Erksdorf. Denn aufgrund von Aufbauarbeiten des HR-Fernsehens in der Stadthalle Stadtallendorf musste der FCKK zur Eröffnungsveranstaltung dorthin ausweichen. Zusammen mit dem Präsidentenpaar, Christel-Rohm Naumann und Norbert Naumann, begrüßte die Erste Vorsitzende die zahlreich erschienenen Mitglieder, Gäste und Freunde des FCKK, bedankte sich bei den Helferinnen und Helfern, die den Raum sehr schön geschmückt hatten, sowie auch bei denjenigen, welche während der Veranstaltung für die Bewirtung der Anwesenden sorgten.

 

Schon vor dem Einmarsch der Aktiven, voran das Noch-Prinzenpaar Franziska I. und Dominik I., stand die mit Spannung erwartete Frage sozusagen im Raum, wer das neue Prinzenpaar sein würde. Dass dies alle Anwesenden schon lange bewegt hat, ist im Anschluss an den Ausmarsch der Aktiven denn auch von Norbert Naumann ausdrücklich angesprochen worden, der ansonsten ein unterhaltsames und vielfältiges Programm ankündigte und dazu viel Spaß wünschte. Zugleich bedankte er sich bei dem „Ohmtalboy“, der auch diesmal die Veranstaltung musikalisch perfekt begleitet hat. Des Weiteren wies die Sitzungspräsidentin auf das kaum zu übersehende große Emblem an der Front des Bühnenraums hin: Es stellt den neuen Kampagnen-Orden in Form eines Steuerrads dar. Damit ist der Orden in Anlehnung an das Narrenschiff gestaltet, das seit dem letzten Jahr den Bühnenaufbau für den Elferrat und das Sitzungspräsidentenpaar bildet. Entworfen hat den Orden der Hofmarschall des FCKK, Michael Feldpausch, wofür ihm die Sitzungspräsidentin dankte.   

 

Anschließend begeisterten die „Blauen Funken“ - wie immer zuerst - als jüngste Gruppe des FCKK im Bereich der Nachwuchsgarde die Anwesenden. Vor dem nächsten Programmpunkt begrüßte der Sitzungspräsident zwischendurch den neuen Bürgermeister Christian Somogyi, weitere Vertreter/Vertreterinnen der kommunalen Politik, andere Ehrengäste, sowie auch Herrn Alfons Wieber von der Oberhessischen Presse. Des Weiteren bedankte er sich nachdrücklich im Namen des Vereins bei dem Sponsor von der Ferrero OHG mbH aus Stadtallendorf, Herrn Karl-Heinz Feußner. Sodann erging gleichermaßen auch ein Dank an das Autohaus Masuch, das regelmäßig ein Fahrzeug für die Prinzenpaare zur Verfügung stellt.

 

Mit einer Serie hervorragender Darbietungen ging es weiter: Auf das junge Tanzmariechen Angelina Cimiotti, die auch diesmal wieder begeistert empfangen wurde, folgte der nicht minder beliebte „Prinzenpaartanz“ mit der Prinzengarde und Franziska I. sowie Dominik I. Anschließend gab es einen Augenschmaus der besonderen Art mit den „Rainbow-Kids“ aus Rauischholzhausen, die mit ihrem Show-Tanz in ein Abenteuer-Wunderland entführten. Die Sitzungspräsidentin lud dann auch gleich diese externe Gruppe zum Kinderfasching im nächsten Jahr (am 27. Januar 2013) ein. Auf weitere Begrüßungen durch den Sitzungspräsidenten und das gemeinsame Schunkeln - unter anderem nach dem Titel „Am Rosenmontag bin ich geboren“ - folgten sodann zunächst die „Welle-Watz-Weiber“ als Rock- und Pop-Ladies, auf die man sich ebenso im nächsten Jahr zur Prunksitzung am 26. Januar wieder freuen kann wie auf die „Flippergarde“, die anschließend ihren Auftritt hatte.

 

Bevor die Veranstaltung langsam aber sicher dem absoluten Höhepunkt der Eröffnung zustrebte, konnte man aber noch weitere, ebenfalls jeweils mit viel Beifall und Raketen bedachte Darbietungen bewundern: Auf die „Ulknudeln“ in ihrer Rolle als Schornsteinfeger folgten drei aufgrund ihrer Leistungen nicht minder bekannte und beliebte Gruppen, nämlich die „Dancing Diamonds“, die „Mini-Kids“, und schließlich die „Wilden Hühner“.  

 

Nun war der mit Spannung erwartete Höhepunkt gekommen: Nach Verabschiedung des bisherigen Prinzenpaares, das sich in einer kurzen Ansprache für die schöne Zeit und die ihnen gewährte Unterstützung bedanke, zog das neue Prinzenpaar zusammen mit dem Elferrat und dem Hofstaat in den Saal ein und nahm auf der Bühne Aufstellung: „seine Herrlichkeit“ Prinz Mario I. und „ihre Lieblichkeit“ Prinzessin Natascha I. Beide stammen aus dem alten Dorf und sind vielen schon aus diesem Grunde, aber auch wegen ihrer Mitarbeit bei der Stadtallendorfer Kolpingfamilie, durchaus nicht unbekannt. Die Hofdame Sabine Hentrich stellte den neuen Prinzen vor als „schmelzender Regent von Stahl und Eisen, schmetternder Lord of Castle-Wood und feinschmeckender adliger Koch am höfischen Herd“. Die neue Prinzessin wurde anschließend von dem Hofmarschall Michael Feldpausch als „aufschlagende Baroness mit Ball aus Zelluloid, liebevolle Schutzpatronin anvertrauter Nesthäkchen“ sowie als „charmante Lady aus dem Hause Green Court“ charakterisiert. Das Prinzenpaar, das übrigens auch privat ein Paar ist, trägt den bürgerlichen Familiennamen „Huhn“: Prinz Mario I. ist in einer Gießerei tätig und kocht gern, Prinzessin Natascha I. arbeitet als Erzieherin. Das gemeinsame Hobby des neuen Prinzenpaares ist das Tischtennis.

 

Auf die Vorstellung des neuen Prinzenpaares folgte das traditionelle Gelöbnis, die Untertanen würdig vertreten und die Ziele des FCKK unterstützen zu wollen. Ebenso gelobten alle Anwesenden, sich für den Verein einzusetzen und stets an dessen Veranstaltungen teilzunehmen. Sodann bestand die erste Amtshandlung des neuen Prinzenpaares in der Verleihung der Kampagnen-Orden an den Elferrat. Schön abgerundet wurde der offizielle Teil der durchweg gelungenen und vom Sitzungspräsidentenpaar in gewohnter Weise souverän geleiteten Veranstaltung mit dem abschließenden Tanz der Prinzengarde. Es verbleibt darauf hinzuweisen, dass die ersten wichtigen Termine – beide dann wieder in der Stadthalle Stadtallendorf - recht früh im nächsten Jahr liegen: Die Prunksitzung findet bereits am 26. Januar um 19:11 Uhr statt, der Kinderfasching am 27. Januar um 14:11 Uhr.

 

Werner Wolski

----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Neujahrsempfang des FCKK Stadtallendorf am 06.01.2013

 

Werner Wolski

 

Mit den besten Wünschen für das neue Jahr begrüßte die Erste Vorsitzende, Cornelia Prill, am 06.01.2013 gegen 11:11 Uhr in der Stadthalle die anwesenden Gäste zum traditionellen Neujahrsempfang des Prinzenpaares des FCKK. Anschließend hieß das Präsidentenpaar, Christel Rohm-Naumann und Norbert Naumann, den neuen Bürgermeister, Christan Somogyi, sowie zahlreiche weitere Repräsentanten der kommunalen Politik, herzlich willkommen. Sie gaben ihrer Freude darüber Ausdruck, dass auch sehr viele Abordnungen und Prinzenpaare befreundeter Karnevalsvereine zu der Veranstaltung gekommen waren (aus Marburg auch mit einem Funkencorps aus Cappel, sowie auch Schweinsberg), und dass viele dazu von weit her angereist waren: aus Laubach, aus Gedern, sowie aus Oberolm. Nicht zuletzt bedankte sich das Präsidentenpaar auch bei den Sponsoren, so unter anderem bei „Kostümzauber“ Anja Klaus und bei dem Autohaus Masuch, das regelmäßig ein Fahrzeug für die Prinzenpaare des FCKK zur Verfügung stellt.

 

Sodann rief der Zweite Vorsitzendes des FCKK, Friedhelm Kremer, in seiner Rede wichtige Ereignisse des vergangenen Jahres in Erinnerung. Im Vorblick auf das begonnene neue Jahr gab er seiner Zuversicht Ausdruck, auch Ende dieses Jahres wieder eine positive Bilanz ziehen zu können. Zu einem guten Beginn sei bereits durchgestartet worden: „Denn“, so Friedhelm Kremer, „der beste Start ins neue Jahr“ ist der „mit alten und neuen Freunden des FCKK“.

 

Für einen begeistert aufgenommenen ersten Höhepunkt sorgte sodann das Tanzmariechen Marie-Christin Falker, die sich in einem wunderschönen neuen Kostüm präsentierte. Daran schloss sich die Ansprache des neuen Prinzenpaares an, das zusammen mit Hofstaat und Elferrat auf der Bühne Aufstellung nahm: Prinzessin Natascha I. und Prinz Mario I. Nach Vorstellung durch die Hofdame Sabine Hentrich und durch den Hofmarschall Michael Feldpausch bedankte sich das Prinzenpaar für die vielfältige Unterstützung von Seiten des Vereinsvorstandes. Sie stellten in Wechselrede und in Versform dar, dass sie ihre Rolle gern übernommen haben und dass sie mit Freude bei der Sache sind, und zwar nach dem Motto: „Ob Sonne, Schnee, ob Regen – Fasnacht ist ein wahrer Segen“. Die erste Amtshandlung des neuen Prinzenpaares bestand sodann traditionsgemäß in der Überreichung des Prinzenordens an den Vorstand und weitere Aktive des Vereins, an den Bürgermeister Christan Somogyj und andere Repräsentanten aus der kommunalen Politik, sowie an die Sponsoren.

 

Anschließend trat Bürgermeister Somogyi ans Pult und wünschte dem FCKK auch im Namen des Magistrats eine erfolgreiche Faschings-Saison. Im Vorblick auf die Erstürmung des Rathauses (am 11.02., 11:11 Uhr) durch die Narren des FCKK stellte er aber in aller Deutlichkeit schon jetzt klar, dass man es „zu verhindern“ wissen werde, „dass das Rathaus in närrische Hände fällt“. Ihm schloss sich die Begrüßung durch den Kreistagsvorsitzenden des Landkreises Marburg-Biedenkopf, Detlef Ruffert, an. Er amüsierte mit seinen humorvollen Anmerkungen die Anwesenden derart, dass die Sitzungspräsidentin ihm sogleich nahe legte, doch als Büttenredner für den FCKK tätig zu werden. Des Weiteren richteten sich die Vertreter der angereisten befreundeten Karnevalsvereine mit Grußworten an das Publikum, sowie auch der Ehrenvorsitzende des Vereins, Guntram Weitzel. Er machte darauf aufmerksam, dass dies bereits der elfte Neujahrsempfang des FCKK sei und damit ein „Jubiläum“ darstelle.

 

Den Reigen weiterer Darbietungen eröffnete Roswitha Huhn mit einer bewundernswerten Einlage: In der Rolle eines Mädchens (und einem großen Stuhl als Utensil) sang sie den Titel „Ich wünsch’ mir eine kleine Ursula“. Sie ist übrigens die Mutter des neuen Prinzen. Und der schöne Titel stammt von Marita Gründgens, der Schwester des berühmten Schauspielers Gustaf Gründgens. Nach diesem Auftritt waren die Sternsinger an der Reihe, die diesmal aus St. Michael kamen, und die bei ihrem abschließend gesungenen Titel „Stern über Bethlehem“ von den Anwesenden begleitet worden sind. Die Erlöse der Aktion der Sternsinger, die unter dem Motto „Segen bringen – Segen sein“ stand, kommen in diesem Jahr Tansania zugute. Anschließend zeigten sich alle einmal mehr von dem gekonnten Tanz des jüngsten Tanzmariechens des FCKK begeistert, nämlich Angelina Cimiotti. Mit viel Beifall bedacht wurde schließlich auch der Auftritt von Norbert Naumann und Edgar Schemionek (Prinz Edgar I. der vorletzten Saison) als Trompeter, die im Duett den Titel „Azzurro“ spielten.  

 

Den Abschluss der rundum gelungenen Veranstaltung bildete der gemeinsame Gesang von Aktiven des FCKK und allen auf der Bühne versammelten Prinzenpaare sowie Abordnungen befreundeter Karnevalsvereine. Für eine musikalisch perfekte Begleitung sorgte übrigens diesmal, wie schon zu anderen Veranstaltungen des Vereins, der „Ohmtalboy“. Damit war der offizielle Teil der Veranstaltung beendet: Die Sitzungspräsidentin eröffnete das Bufett, das  wie im letzten Jahr hervorragend von Erhard Neumann (Catering Bachhuber) angerichtet worden war. Nach dem Essen gab es genügend Gelegenheiten zu Gesprächen – teils sicherlich auch im Hinblick auf die nächsten Veranstaltungen: Der erste wichtige Termin ist der 26.01. dieses Jahres, nämlich die „46. Närrische Prunksitzung“ des FCKK in der Stadthalle Stadtallendorf, die um 19:11 Uhr beginnt (ein Samstag). Darauf folgt dort am Sonntag, 27.01., traditionell der Kinderfasching („Bunter Kinderfasching“, Beginn: 14:11 Uhr). 

 

W.W.

 ------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Prunksitzung des FCKK Stadtallendorf vom 26.01.2013

 

Werner Wolski

 

Endlich war es wieder so weit: Auf die vorausgehenden Veranstaltungen folgte als lang ersehnter Höhepunkt der laufenden Saison die „46. Närrische Prunksitzung des FCKK“, die unter dem Motto stand „Wir sind des Wahnsinns fette Beute“. Kurz nach 19:11 Uhr hieß die Erste Vorsitzende, Cornelia Prill, die närrische Schar herzlich willkommen: „Schmeißt Kummer und Sorgen noch schnell über Bord. Die Wogen der Freude spülen sie fort!“ Nach dem Einzug der Aktiven kündigte der Sitzungspräsident, Norbert Naumann, im Rahmen seiner Begrüßung an, dass der FCKK wie immer – neben lange bekannten Mitwirkenden – auch Neues zu bieten habe. Und dies sollte sich im weiteren Verlauf der sehr gut organisierten Veranstaltung in der Tat zeigen, die von dem Präsidentenpaar, Norbert Naumann und Christel Rohm-Naumann, wie stets souverän geleitet wurde.  

 

Nach dem Einzug des Prinzenpaares, mit Prinzengarde und Hofstaat, stand traditionell deren Vorstellung an: Zunächst wurde Prinz Mario I. von der Hofdame Sabine Hentrich vorgestellt, sodann die Prinzessin, Natascha I. Deren Vorstellung konnte aber aufgrund auswärtiger Verpflichtungen diesmal nicht der Hofmarschall Michael Feldpausch übernehmen. Er ließ aber alle Anwesenden herzlich aus Bologna grüßen. Für ihn übernahm Dominik Naumann, der Prinz Dominik I. der letzten Saison, als Adjutant diese Aufgabe, die er hervorragend bewältigte. Sodann stellte sich das Prinzenpaar dem närrischen Volk mit ihrem Motto vor: „Ob Sonne, Schnee, ob Regen – Fasnacht ist ein wahrer Segen!“. Sie bedankten sich für die Unterstützung, die sie von allen Seiten erhalten haben, und wünschten viel Spaß mit allen Aktiven auf der Bühne.

 

Als die Aktiven ausgezogen waren, präsentierte sich die Prinzengarde, die wie immer mit dem Kommando angekündigt wurde: „Zu Ehren des Prinzenpaares, zur Erbauung des Komitees, und zur Freude aller im Saal – tanzt!“. Für ihr allenthalben bekanntes tänzerisches Niveau wurden sie mit einer ersten Rakete bedacht. Die zweite Rakete des Abends erhielt das noch sehr junge Tanzmariechen Angelina Cimiotti, welche anschließend mit einem neuen Tanz einmal mehr das Publikum begeisterte. Darauf folgte der nicht minder bewunderte Auftritt der beliebten Mini-Kids zu dem Titel „Hey, Pippi Langstrumpf […], die macht, was ihr gefällt“eHe. Damit erfüllten sie sich mindestens einen Tanz lang den Traum, in die Rolle der Pippi zu schlüpfen, die alles tun und essen konnte, wie sie es wollte. Daran schloss sich eine Schunkelrunde mit den „Skyliners“ an, die übrigens bis in die Morgenstunden hinein das Programm hervorragend mit gut ausgewählten Titeln musikalisch begleiteten.

 

Die erste Büttenrede brachte eine Überraschung: Detlev Ruppert, Kreisvorsitzender des Landkreises Marburg-Biedenkopf, dessen Talent auch zur karnevalistischen Rede bereits anlässlich des Neujahrsempfangs aufgefallen war, präsentierte sich als „Bruder Grimm“: Er setzte politische und andere Ereignisse in amüsanter Weise zu den Grimmschen Märchen in Beziehung, wobei er die Kommunalpolitik ebenso aufs Korn nahm wie die große Politik, und jeweils anfügte: „Das ist gar nicht schlimm! Schlag einfach nach bei Grimm!“. Und eine weitere Premiere gab es an diesem Abend: Zum ersten Mal hat der FCKK in diesem Jahr ein drittes Funkenmariechen, nämlich Alena Weitzel. Sie führte sich mit einem gekonnten Tanz ein, der vom Publikum mit viel Applaus bedacht wurde. Anschließend begeisterten die Blauen Funken, die jüngste Gruppe des FCKK im Bereich der Nachwuchsgarde.  

 

Vor Ankündigung des nächsten Höhepunktes schlossen sich hieran Begrüßungen und Danksagungen durch den Sitzungspräsidenten an: Er begrüßte den Bürgermeister Christian Somogyj mit Gattin, sowie andere Repräsentanten aus der kommunalen Politik. Des Weiteren begrüßte er den Vorsitzenden der Karnevalsgesellschaft, Herrn Hofmann mit Gattin, von der Oberhessischen Presse Herrn Jonas Hielscher, sowie die zur Sitzung erschienenen Abordnungen befreundeter Karnevalsvereine aus Emsdorf, Laubach, Marburg, Schweinsberg, und diejenigen des Stiefelclubs aus Homburg. Außerdem bedankte er sich bei „Kostümzauber“ Anja Klaus sowie bei dem Autohaus Masuch dafür, dass es regelmäßig ein Fahrzeug für die Prinzenpaare des FCKK zur Verfügung stellt. Nicht zuletzt bedankte er sich auch ausdrücklich bei der Technik und bei den vielen Helferinnen und Helfern vor und hinter der Bühne.

 

Sodann ging Diethelm Vogel, Pfarrer der drei katholischen Kirchengemeinden Stadtallendorfs, als „Doofe Nuss“ in die Bütt: Er erzählte von vielen komischen Vorkommnissen, welche alle äußerst witzig fanden, während er selbst beklagte: „Alle sagen, ich wär’ eine doofe Nuss!“. Darauf folgte das junge Tanzpaar Lisa Weitzel und Tim Sehon, das zuerst bei der Jubiläumssitzung aufgetreten war. Die beiden, die mittlerweile zu kleinen Stars des FCKK avanciert sind, begeisterten auch diesmal wieder die Anwesenden mit ihrem Können. Nicht minder mit Applaus bedacht wurde als weitere Tanzeinlage der Tanz der Flippergarde, der mittleren Garde des Vereins. Sodann präsentierten sich Sylvia Ossinger und Regina Kremer, die sich jedes Jahr etwas Neues einfallen lassen, in einer prächtigen Kluft als Prinzenpaar: Sie beklagten sich darüber, dass man ihnen diese Funktion nie angetragen habe, und dass sie auch nicht als Hessenpaar berücksichtigt worden seien. So befassten sie sich damit, sich gegenseitig ihre Vorzüge und Defizite vorzurechnen und auf die Rolle von Frauen einzugehen, was das Publikum mit Vergnügen zur Kenntnis nahm. Anschließend traten die Wilden Hühner, die immer mit ihrem Tanz in schönen Kostümen begeistern, diesmal im Matrosenkostüm zu dem Titel „Seemann, lass das Träumen“ auf. Denn sie wollten die Weltmeere erkunden. Die Reihe hervorragender Darbietungen setzte sich fort mit dem Funkenmariechen Marie-Christin Falker, die auch diesmal mit ihrem Tanz brillierte.

 

Was nun folgte, war eine weitere Büttenrede: Dazu hatte sich Doris Mann etwas Besonderes ausgedacht: Als Queen bzw. Königin von England kam sie nach Stadtallendorf, blickte auf ihre  – wie sie sich in deutsch-englischem Mischmasch ausdrückte - „sixty five years Ehe“ zurück, plauderte ironisch Einzelheiten aus ihrer Familie aus, ließ aber auch die personellen Querelen anderer Königshäuser nicht unbeachtet. Wie bereits zu den Prunksitzungen der beiden letzten Jahre trat anschließend Helmut Weitzel, der Zeremonienmeister des FCKK,  gemeinsam mit einem Kinderchor zu einem Gesangstitel auf, wobei er diesmal von Dominik Naumann tatkräftig gesanglich unterstützt wurde: „Keiner fragt woher, keiner fragt warum [usw.]: Denn es geht schon von allein!“. Nach einer weiteren Schunkelrunde mit den Sykliners sorgten sodann die Ulknudeln für Stimmung: Begleitet von entsprechender Musik und in unterschiedlicher Kostümierung zeigten sie, was sie auf ihren Reisen in der Welt alles erlebt haben – von Mexiko bis zu den Eskimos. Ebenso wild ging es anschließend bei den „Welle-Watz-Weibern“ zu, die am Ballermann waren, und die mit Katzenberger und dem König von Mallorca eine Party feierten. Hier wie dort ist großer Aufwand mit Kostümen sowie mit Kulissen und Requisiten betrieben worden, was beim Publikum viel Beifall gefunden hat. Sodann brachten die Dancing Diamonds, begleitet von der Musik zu „Biene Maja“ und in dazu passenden Kostümen, den Frühling auf die Bühne bzw. gaben einen Vorgeschmack darauf. Mit lebhaftem Treiben als Schornsteinfegerinnen schlossen daran nochmals die Ulknudeln an: Sie sorgten in dieser Rolle für Glück in der Halle, wie man auch der Begeisterung entnehmen konnte, welche ihr Auftreten hervorrief.

 

Nach einer nochmaligen Schunkelrunde leiteten die „Hansen Transen“, die als Gäste aus Marburg gekommen waren, die letzte Runde eines grandiosen Programms ein: In einer Mischung aus Kabarett und Transvestitenshow brachten sie zu fortgeschrittener Stunde den Saal nochmals zum Toben. Den zahlreich daran Beteiligten wurde im Anschluss an ihre Darbietung von der Sitzungspräsidentin ein Orden überreicht. In wunderschönen Kostümen traten anschließend die Feuerhexen auf. Sie vermittelten Karibik-Feeling und tanzten unter anderem nach dem Titel „We will rock you“. Dafür erhielten sie die vorletzte Rakete. Denn die letzte Rakete galt den Kaktusblüten, die sich diesmal sehr vielseitig präsentierten: als Autofahrer samt Polizei nach „Gib Gas, ich will Spaß“, und im Tanz im Gangnam Style mit Krankenschwestern mit Arzt.

 

Zum Abschluss dieser rundum gelungenen Prunksitzung versammelten sich alle Aktiven des FCKK auf der Bühne, um gemeinsam mit dem Publikum den von den Skyliners dafür vorgesehenen Titel nach der Melodie „Ich war noch niemals in New York“ zu singen. An der sich daran anschließenden Polonaise durch den Saal beteiligten sich fast alle Anwesenden. Auch viele der Noch-Nicht-Mitglieder blieben bis zum Schluss, wenn sie nicht gerade Kinder nach Hause bringen mussten. Es wurde anschließend lange noch getanzt, oder man fand Gelegenheit zur ausführlichen Unterhaltung. Wer dieser erstklassig vorbereiteten, geleiteten und durchgeführten Sitzung beigewohnt hat, konnte erkennen, dass man sich um die Zukunft des FCKK gewiss keine Sorgen machen muss.

 

Werner Wolski

--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

 

 

 

 

 

 

 

     

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 

 

 

Hauptseite
Herkunft
Tätigkeiten
Schriftenverzeichnis
Wörterbucher/Lexikographie
Schriften
Lehrveranstaltung Heidelberg
Energiewende Auftragsarbeiten
Fotos
Bevorzugte Links