Anonymus

 

S A T I R I S C H E   S P R A C H V E R S E

 

Eine Einführung in Sprach- und Literaturwissenschaft(ler/lerinnen)

 

 

(von Werner Wolski übersetzte und für die deutschen Leser eingerichtete Fassung einer ihm im Jahre 1992

zugegangenen Schrift, deren bedeutender Urheber sein Inkognito wahren muss, was ihm hiermit gewährt wird)

 

 

Vorwort

             

Was der Autor glaubte darlegen zu sollen, ist dem Inhalt und der Form nach durchaus problematisch und vielleicht sogar eine Zumutung für die Leser. Er weiß selbstverständlich, was er angestellt hat; niemand braucht ihn darauf hinzuweisen, was er im Einzelnen hätte verbessern oder lieber hätte unter­lassen sollen. Er gehört - und das möchte er, obwohl es bei der Lektüre seiner Verse ohnehin klar wird, nicht unerwähnt lassen - schließlich nicht zur Familie der Analpha­beten. Und er gehört auch nicht einer ihr verwandten Sipp­schaft an, die irgendwo auf der Volkshochschule oder über einen  Fernkurs ge­lernt hat, nach dem Motto „Reim dich, oder ich fress dich" Verse zu schmieden und dann glaubt, primitive und ganz unbe­deutende Lebenserfahrungen in irgendeiner epi­gonalen Art und Weise, sei es als Gedicht oder sonstwie (Erzählung, Roman), einem geistig armseligen Publikum dar­legen zu müssen.

 

Nein - : Mit dem, was hier nachfolgend sprachlich geschieht, verhält es sich ganz anders; manches ist bereits vom Gegen­stand her ganz ausgefallen und der Form nach ungewöhnlich. Es ist deshalb nicht einfach, es selbst belesenen Personen zu vermitteln. Wenngleich die Verse nicht ausschließlich (zumindest nicht in den sich an den Anfangsteil anschließen­den Partien) an Experten und angehende Fachleute für Sprache und Literatur adressiert sind, werden doch recht viele Kennt­nisse vorausgesetzt: Die Verse reichen eben in Sinnprovinzen hin­ein, die nicht jedem zugänglich sind; und das ist auch ganz normal und gut so. Vielleicht ist er auch einfach nur schon viel zu lange mit der Sprachwissen­schaft sozusagen „verheiratet“. 

 

Aber das Lachen hat er durchaus noch nicht verlernt. Selbst­verständlich lacht er am liebsten über theoretische Abseitig­keiten und über diejenigen, die solche auch noch ernsthaft zu verkaufen imstande sind. Und vielleicht hat er gerade deswe­gen viel Verständnis für sprachlich versierte, aber unverbil­dete Leser, egal aus welcher Sparte sie kommen - wenn sie nur genügend Interesse für Sprache und Literatur mitbringen. Von ihnen gibt es durchaus noch recht viele, wie der Autor aus eigener Anschauung weiß. Und diese wären ihm als Leser am liebsten, weil er erwartet, dass sie ihn am be­sten verstehen können. Es mögen Laien sein, die das sind, was man früher als „gebildet" bezeichnet hat, und selbstverständ­lich Sprach-Fachleute - jedenfalls solche eines bestimmten Typs.

 

Denn was soll er von solchen Angehörigen der Fachwis­senschaften erwar­ten, die doch meist irgendwohin abgeho­ben, borniert, zu ernst und stumpfsinnig sind, und welche entweder die Nase zu hoch in die Luft erheben, oder aber diese bereits auf dem Boden hängen haben? Was soll er von solchen erwarten, die eine Wis­senschaftler-Rolle vor anderen so per­fekt spielen, dass sie nichts mehr davon bemerken, was um sie herum an Komischem vor sich geht, und wozu sie selbst auch beitragen? - Der Autor hält es mit Montagne, der gesagt hat: „Unsere Narrheiten bringen mich nicht zum Lachen, sondern unsere Weisheitstue­rei". Und das war, was hier verraten sei, einer der Anstöße zu dieser fragwürdigen Unterneh­mung, zu der sich der Autor (mit Unterbrechungen über grö­ßere Zeiträume hinweg) aufge­macht hat.

 

Damit das ganz klar wird, sei es explizit gesagt: Der Autor will auf keinen Fall die Wissenschaft, die er vorstellt, und der er sich schließlich selbst verschrieben hat, in irgendei­ner Weise grundsätzlich in Frage stellen - eher ist das Ge­genteil der Fall. Und er will auch nicht die, welche sie aufführen, pauschal der Lächerlichkeit preisgeben. Er will nur aufzeigen, wo gewisse Narrheiten zu weit getrieben wur­den, und das - dünnbrettbohrerische Äußerungsformen und damit verbundene Lebenspraxis im Bereich der Wissenschaft ausgenom­men - durchaus in dem Sinne: „Wir irren allesamt, nur jeder irrt anders". Dies kann vor allem den Anfängern im Bereich einer Wissenschaft dazu verhelfen, das „Jurare in verba magi­stri", das Schwören auf die Worte eines Meisters, begründeter abzulegen.

 

Und diejenigen Leser, die einer Profession fernab der Be­schäftigung mit Sprache nachgehen, i. e. Vertreter(innen) anderer wissen­schaftlicher Disziplinen, brauchen gar nicht über die Sprach­ler zu lachen! Sollten sie sich dennoch in dem Irrglau­ben, das beträfe sie alles nicht, dazu hinreißen lassen, dann möchte ihnen der Autor die Worte zurufen: „Quid rides? Mutato nomine de te narratur fabula" – „Was lachst du? Unter verän­dertem Namen handelt die Fabel von dir". Nur -: Unter diesem „veränderten Namen" anderer Wissenschaftler(innen) konnte der Autor nicht auch noch versuchen, das dazustellen, was ihm aufgrund eigener Erfahrung am Beispiel vor allem der Sprachwissenschaftler(innen) und ein wenig auch der Literaturwissenschaftler(innen) einigermaßen gelungen ist.

 

Und schließlich sind weder die dem Typus nach (!) vorgestell­ten Perso­nen, noch deren (theoriebezogene und sonstige) Äuße­rungen frei erfunden. Eine explizite Übertragung auf jewei­lige andere Wissenschaften zu leisten, mögen doch andere übernehmen, die sich dazu berufen fühlen.

 

Der Autor kennt, wie gesagt, keine kleinmütigen Hemmungen das, was er glaubte formulieren zu müssen, einem größeren Pu­blikum vorzustellen. Er muss auch nicht befürchten, mit den am wenigsten vorteilhaften Rollen, die er geschaffen hat, selbst identifiziert zu werden; dies kann selbst dem gefährlichsten Rezensenten nicht gelingen. Auch ihn mit einer der anderen Rollen eindeutig in Zusammenhang zu bringen, wird nicht plausibel ge­macht werden können. Der Grund ist ganz einfach der: Da der Autor selbst ein erfahrener Kritiker ist, ist es ihm ein Leichtes gewesen, genügend Vorsorge zu schaffen, alle Spuren weitgehend zu verwischen. Versuche, dem nachzugehen, welche Rolle er selbst einnimmt, werden so von vornherein fehlschla­gen: Sie sind zwecklos; und entsprechen­des herauszufinden, wäre auch ganz uninteressant. Wichtiger ist, dass jeder und jede, sei es als Forscher/Forscherin oder als Stu­dent/Studentin aus dem Bereich der Sprachler, aber auch aus den Sprachlern ganz entfernten Bereichen, schnell wird erken­nen können, wer als Kandidat(in) in eigenem Erfah­rungsbereich zur Identifizierung der einen oder anderen Rolle infrage kommt.

 

Fast wäre es vergessen worden hinzuzufügen: Der Autor hat sich auch noch, raffiniert wie er ist, hinter einem Pseudonym verschanzt. Dieses hat er durchaus nicht aus Feigheit ange­nommen, weil er etwa glaubte, sich mit seinen Versen in ein unrechtes Licht zu setzen, oder gar aus Furcht vor einer mög­lichen Blamage; all dies liegt schließlich vollkommen fern. Vielmehr hatte er einige Bedenken, es könnte ihm Scha­den dar­aus erwachsen: von denen, die sowieso nie etwas ver­stehen, aber viel Macht haben, oder von denen, die sich be­troffen fühlen bzw. auch von sonstigen Personen, welche eine solche Litanei wohl als unseriöse Machenschaft beurteilen würden.

 

Denn immerhin steckt schon einige Brisanz in dem Dar­gelegten - man denke nur an den Brief im Anhang sowie an die „Gesänge der Dünnbrettbohrer"! - Und unter Berücksichtigung dessen hat der Autor sich schließlich daran erinnert, was manch einem widerfahren ist, der dumm genug war, seinen Namen preiszuge­ben, als er sich mit zu vielen Leuten anlegte. Und das muss doch nicht sein! Wer will es also dem Autor verdenken, wenn er aus bekannten Vorfällen gelernt hat? - Sollte trotz­dem jemand darauf kommen, wer sich hinter dem Pseudonym (man kann es mo­tivieren, wie man will) verbirgt, so wird der Autor selbst­verständlich - und das sei hier bereits angekündigt - alles sofort abstreiten und behaupten, das Manuskript noch niemals vorher gesehen zu haben.

 

Und jetzt, nachdem dies abgeklärt ist, können wir endlich dazu übergehen zu erläutern, wie der Autor sich die Rezeption der Verse denkt. Die gewählte Form, mit ihrer Rolleneintei­lung, ist nämlich  - abgesehen von dem Lustgewinn, der be­reits bei individuellem Lesen verschafft werden dürfte - durchaus dazu geeignet, die Verse als Stück aufzuführen. Ur­sprünglich hatte der Autor sogar an eine Vertonung als Sing­spiel gedacht; daraus ist aber nichts geworden, weil er auch noch anderes zu erledigen hatte, und sich nicht unent­wegt nur hiermit beschäftigen konnte.

 

Aber ein Vorschlag zur Aufführung soll wenigstens doch ge­macht werden: Da hier Ernsthaftes mit Lächerlichem eine sel­tene Einheit bildet, hat sich der Autor gedacht, dass es schön wäre, wenn die Verse von Mitgliedern eines Gremiums aufge­führt werden könnten, welches die genannte Einheit ebenfalls - und geradezu beispielhaft - verkörpert, nämlich von dem Fa­kultätsrat einer Universität. Dies würde - allein durch die Gemeinsamkeit im Sprechen und Agieren - mit Sicherheit dazu beitragen, zerstrittene Fraktionen untereinander zu versöh­nen und vielleicht im gemeinsamen Gelächter am Schluss engher­zige Rivalitäten zu überwinden - Rivalitäten, wie sie wohl überall (so auch in der Politik) naturgemäß in Fakultätsräten zwischen Angehörigen unterschiedlicher und damit widerstre­bender Grup­pen bestehen.

 

Die Aufführung kann man sich im Einzelnen so vorstellen: Der große Schamanenchor ist zusammengesetzt aus Vertre­tern/Vertreterinnen der Sprach- und Literaturwissenschaft. Um einen Verfremdungseffekt zu erreichen und so ein wenig ver­borgen und unentdeckt vor den restlichen Angehörigen des Fakultäts­rats (und sonstigen Zuschauern) ganz hemmungslos seine Rollen spielen zu können, wird ein langer grauer Umhang als Kleidung vorgeschlagen, sowie eine Gesichtsmaske, die das Ge­sicht von oben her bis zur Nase bedeckt. Einige ältere Kol­legen/ Kolleginnen bilden den „alten" Schamanenchor, einige jün­gere den „jungen" Schamanenchor. Der „gemischte" Schamanen­chor setzt sich aus Angehörigen dieser Teilchöre zu­sammen, vereinigt mit Angehörigen aus dem Restchor. Alter, junger und gemischter Schamanenchor sind somit Teilmengen des „großen" Schamanenchors.

 

Diejenigen, welche die Rolle der Solisten einnehmen, treten zum Auf­tritt jeweils ein paar Schritte nach vorn aus dem Chor her­aus; sie heben sich durch unterschiedliche Zeichnung ihrer Ge­sichtsmasken von den übrigen Akteuren ab. Die Rolle des „Dünnbrettbohrers" wird - wie abzusehen - nur schwer zu be­setzen sein, weil sich niemand von den Sprachlern bereiter­klären wird, diese Rolle zu übernehmen. Es wird wohl nötig, einen Kollegen aus der Erziehungs-„Wissenschaft", aus der Sport-­„Wissenschaft", der Theologie oder verwandter Disziplinen für diese Rolle zu gewinnen. Das bietet sich schon deswegen an, da diese Kollegen/Kolleginnen sowieso nicht bemerken dürften, was auf sie zukommt und sie sich vielleicht sogar noch mit der Rolle identifizieren. (Man sollte ihnen, was Sprachlern gelingen dürfte, beibringen, dass es sich hierbei um eine ganz vorteil­hafte Rolle handele).

 

Im Einzelnen über die Aufstellung zu befinden, ist aber der jeweiligen Konstellation im Fakultätsrat zu überlassen und dem Geschick von Kollegen/Kolleginnen, welche die Auffüh­rung in ihrem Kreise anregen werden. Der „Theta-Gott" steht in der Mitte hinter dem Chor auf einem erhöhten Platz. Es handelt sich bei ihm um eine Konstruktion: Er vereinigt in sich den Inbegriff des Allwissenden, der über allem Theo­retisieren steht (eine Art verkörperte Wissenschaftstheo­rie), mit der Vorstellung eines etwas konkreteren Theoriege­bildes, wie es aus gewissen Semantiktheorien nur Eingeweihten bekannt ist. Man nehme den Theta-Gott der Einfachheit halber für eine all­seitige Verstehenskompetenz, also mehr im er­sten Sinne. Als Kleidung empfiehlt sich, den Theta-Gott z.B. durch einen schwarzen Umhang vom Chor abzuheben. Diese Rolle wird sicher­lich jeder gern übernehmen. Bei der Besetzung ist auf eine gewisse Ausstrahlung durch eine würdige, wenn­gleich nicht salbungsvolle, ruhige Stimme zu achten. Ob es sich um die Stimme eines Mannes oder um die einer Frau han­delt, ist letztlich egal. 

 

Die Rolle der Studentin zu übernehmen, wird sich gern eine Vertreterin des Mittelbaus bereit erklären; andernfalls ist hierfür eine Dozentin auszuwählen, die mit dem Feminismus nichts am Hut hat. Die Rolle „Bildungspolitiker" ist eben­falls auch Frauen offen. Bedin­gung ist nur, dass diese Gestalt bei ihrem Auftritt von außer­halb des Chores seitlich hinzu­tritt und sich irgendwie, aber auch wieder nicht zu deutlich, von den anderen Akteuren ab­hebt. Auch die „Literaturwissenschaftler"-Rollen können nach Belieben von Frauen oder Männern übernommen werden. - Die Rolle der „Sprache" schließlich ist ebenfalls von einem Mann oder von einer Frau besetzbar. Bevorzugt werden sollte hier eine Frau, ohne damit irgendwelchen sexistischen Überlegungen das Wort reden zu wollen, welche dem Autor ganz fern liegen. Dann aber muss - schon um des Kontrastes willen - der Theta-Gott auf je­den Fall von einem Mann übernommen werden.

 

Jeder Anfang ist schwer; das weiß der Autor. Der Prolog sollte von einem Band abgespielt oder von einer nicht selbst auftretenden Person gesprochen werden, während Chor und Theta-Gott bereits Aufstellung genommen haben. Geachtet werden muss hier - und nicht nur hier, sondern durchgängig (außer bei selbstdarstellenden Partien gewisser Wissenschaftler) - auf eine ruhige, ausdrucksvolle, aber (wie gesagt) nicht lächerlich salbungsvoll wirkende Vortrags­weise. Wer etwas davon versteht, wird schon wissen, wie die jeweili­gen Rollen geeignet darzustellen sind! Auf­grund der abwechs­lungsreichen Partien wird insgesamt fast von selbst eine Ein­tönigkeit umgangen werden können.

 

Das Gelächter, das an einigen Stellen während der Aufführung, aber mindestens am Schluss aufkommen dürfte, kann nur verei­nen. Ob ein solcher Effekt zustande kommt oder wie sonst rea­giert wird, kann selbstverständlich nicht vorausgesehen wer­den. Derartiges ist schließlich kaum zu planen; und darauf wurde bei der Konzeption auch nicht wesentlich Rücksicht ge­nommen. Es könnte passieren, dass sich Sprach- und Literatur­wissenschaftler (einschließlich der Wissenschaft­ler-„innen") in Tränen aufgelöst in die Arme fallen wie noch nie vorher, und dass mehrere andere Wissenschaftler (einschließlich der „innen") in die Vereinigung einstimmen. Es könnte aber auch passieren, dass alle ergriffen und schweigend nach Beendigung der Auffüh­rung nach Hause gehen.

 

Dies alles ist, wie gesagt, nicht vor­herzusehen. Der Autor würde sich wünschen, dass man sich hin­terher irgendwo in einem Restaurant trifft, die Sache durch­spricht, Kontakte knüpft und sich ernsthaft darum bemüht, seine Wissenschaft besser als zuvor zu vertreten: intern, indem man endlich nicht mehr aus Träg­heit, aufgrund irgendwelcher vermeintlicher Sachzwänge, einge­spielter Betriebsblindheit oder aus purem Zynismus per Gefäl­ligkeitsgutachten jede Mittelmäßigkeit befördert; nach außen, indem man gute Wissenschaft gegen Verdrängung in der Ge­sellschaft energisch verteidigt und Konzepte entwickelt, um sie mit ihren Erfolgen besser in der Öffentlichkeit darzu­stellen. Denn schließlich leben alle Wissenschaften - wie auch immer im Einzelnen vermittelt - von der Sprache; und diese zu erforschen bedarf es der besten Anstrengungen. Der Autor wollte auf eine verfremdete Art und Weise dazu beitra­gen, entsprechende Anstrengungen zu forcieren.

 

 

I. Vorgesang

 

Prolog

 

Mehrmals bedrängt im Traum

Und ebenso im Wachen,

Im Ernst geprägt bisweilen,

Doch öfters noch im Lachen,

Erfasst von manchen selt'nen,

Ganz wilden Sprachideen,

Welche, wie nur zu hoffen,

Die Sprachler recht versteh’n:

 

Verdichtete Erfahrung

Mit einiger Gewalt

In eine Form gebracht

Satirischer Gestalt;

Im Zweifel oft gewandelt,

Erlebtem angepasst,

Wurd’, worum es sich handelt,

Ein paar Mal neu gefasst.

 

Die Namen und die Daten

Sind gänzlich ausgelassen;

Doch wird, wer um sich sieht,

Vertrautes schnell erfassen.

 

Am Ende war dann ein

Panoptikum kreiert,

Darin selbst tief befangen

Auch der es vorgeführt:

 

Durch Kenntnisse geleitet

Von dem, was er gelernt -

Das Wesen des Frustrierten

Ist ihm ganz weit entfernt.

 

Verständnisvoll verfremdet

Zu einem neuen Rahmen

Gibt er, so gut er kann,

Dem Treiben einen Namen -

Mit Mitleid auch für den,

Der gutes Wissen schafft:

 

Das durchaus Positive,

Typisch ins Bild zu setzen,

Und dann das Dumme, Freche,

Gehörig zu verletzen.

 

Bei allem, was zu zeigen

Von diesem wird gewagt,

Sei eines nicht vergessen

Und deutlich auch gesagt:

 

Die Sprachler haben`s schwer,

Was rechtes vorzuzeigen;

Sie stehen etwas abseits

Im öffentlichen Reigen;

 

Viel schlimmer als bei ihnen

Ist das, was ständig läuft

In andren Disziplinen:

Die Wirtschaft, Pädagogik,

Jura, The-o-lo-gie

Und alles drum herum -

Vergessen wird das nie!

 

Doch nicht auch noch auf diese

Felder sich vorgewagt,

Ist hier eine Beschränkung

Auf Sprache angesagt.

 

 

Theta-Gott

 

Ich fürchte, dass man öfters

Zu esoterisch singt,

Und einiges vom Besten

Ganz ungehört verklingt.

 

Du scheinst mir zu belastet

Von seltner Theorie;

Von denen, die es angeht,

Erreichst du manche nie:

 

Den Laien sagt's nicht viel,

Den Schriftgelehrten mehr,

Nur Eingeweihte trifft's -

Und einige gar sehr.

 

 

Großer Schamanenchor

 

Wir werden, zielgerichtet,

Ein wenig Klarheit schaffen,

Durch Kommentierung manchmal,

Das Ausgeführte raffen.

 

Es stimmt: Das, was wir singen,

Ist nicht für viele da;

Doch führen wir das aus,

Was er für alle sah.

 

Wer überhaupt nichts weiß

Und außerdem nichts kann,

Den geht das ganze Sprachspiel

Ja sowieso nichts an!

 

 

II. Sprache und Sprach­wissenschaft

 

 

Sprache

 

Ich selbst, ich bin das Medium,

Mit dem ihr mich begreift,

Und unter euren Händen

Zum Gegenstand gereift.

 

In meiner Vielfalt mich zu erkennen

Bereitet euch ständige Qual;

Wie zwanghaft sich mit mir zu befassen,

Steht für euch nicht zur Wahl.

 

Die Frage nach dem Wie,

Woher, Warum, Wohin,

Erzwingt verschied'ne Lösung,

Verkrampft oft euren Sinn.

 

In viele Facetten bin ich geformt;

Ein paar von euch haben mich genormt:

Als Grammatik und als Wörterbuch

Erscheine ich

Von festem Willen;

Jahrtausendelang

Jedoch leide ich

Unter so manchen Grillen.

 

Ich sag's euch grad heraus,

Damit's jeder begreifen kann:

Ich bin, die ich bin:

Kein Computerprogramm

Und auch kein Organ, -

Nur ein wenig mehr,

Als jeder Affe kann!!

 

Die Semantik ist die Sparte,

Der ich lange harrte;

Was hier geleistet wurde,

Ist manchmal ganz fatal,

Doch honorier’ ich gerne

Die Suche nach dem Gral.

 

Denn schließlich ist Bedeutung

Das Zentrum meiner Macht;

Wer ernsthaft sich dem nähert

Hat durchaus was vollbracht;

Als Sprachler und

Literatur-Betrachter -

Und sonst auch, wer es kann;

Doch fassen mich die ersteren

Am festesten halt an.

 

Oft weich wie eine Qualle,

Unklar in jedem Falle,

Ist der Bedeutung Kern.

Mal allzu vage, mal allzu starr -

So hätten es manche gern!

 

 

 

Theta-Gott

 

Um kritisch dein Zentrum zu beseh'n

Muss ich auch heute noch eingesteh’n:

 

Durch viele Phrasen bist du geschritten,

Von Meta bis Abbild und hin und her;

Man hat dir oft den Grund abgeschnitten

Und glaubhaft gemacht:

Anders läuft nichts mehr!

 

Vereint darum bemühte Stimmen,

Die wollen jeweils trendbedingt

Dich auf Berechenbares trimmen.

 

 

Alter Schamane

 

Mit Pferden und Tigern

Und Junggesellen

Wollten wir so gern

Bedeutungen erhellen:

Merkmale, Seme, Komponenten,

Diese in Atome trennten.

 

Wir spielten immer sehr

Mit dem vertrauten

Beispielgespenster-Heer.

Ihr Nachgebor'nen

Müsst andres versuchen -

Wir aber konnten nicht mehr.

 

 

Nachgeborener

 

Trapeze, Ränge

Und Sem-Kollektionen

Sollten sich für euch lohnen.

Die Scheinprobleme,

Die ihr löstet,

Mussten bald veralten;

Was ihr dafür erhieltet,

blieb euch bis heut erhalten.